Ich weiß nicht, wie viele Beziehungsratgeber du schon gelesen hast, aber ich wette, jeder hat im Prinzip dieselbe Aussage gemacht: Du musst an deiner Beziehung arbeiten. Beziehungen, an denen man nicht arbeitet, würden irgendwann zerrütten und zerfallen. Das ist vielleicht der größte Mythos in modernen Beziehungen.
Beziehungsarbeit ist oft ein Versuch, die Verantwortung von sich wegzuschieben. Die Beziehung wird als externe Entität betrachtet. Etwas, das eigenständig existiert und somit geformt werden kann. Oder anders gesagt: Ich bin nicht das Problem, die Beziehung ist das Problem.
Es ist immer einfacher an anderen Makel zu erkennen als an sich selbst. Kaum jemand kann sich eingestehen, dass er wirklich schlechte Eigenschaften hat. Wir wollen uns selbst im positiven Licht sehen, also muss etwas anderes das Problem sein.
Dabei ist eine Beziehung erst einmal leer. Sie ist nichts. Beziehungen bestehen zu 100% aus den Menschen, die sich darin befinden. Das bedeutet, du kannst gar nicht an der Beziehung arbeiten, weil du keinen Einfluss auf deinen Mann hast. Du kannst maximal an 50% der Beziehung arbeiten – nämlich an dir selbst. Das bedeutet im Klartext: Die einzige Form der Beziehungsarbeit, die überhaupt möglich ist, ist die Arbeit an dir selbst.
Stell dir die Beziehung wie eine leere Schachtel vor. Du und dein Partner füllt sie mit allem, was sie ausmacht. Das können Liebe, Respekt und Freude sein, das können aber auch Missgunst, Misstrauen und Stress sein. Ihr könnt nichts aus der Schachtel holen, was ihr vorher nicht hineingegeben habt.
Jetzt, wo wir wissen, dass an der Beziehung zu arbeiten nur bedeuten kann, dass man an sich selbst arbeitet, räumen wir mal mit den ganzen Mythen auf, die sich sonst noch um die Beziehungsarbeit ranken.
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Mythos 1# In glücklichen Beziehungen macht man Kompromisse
Ein weiterer Mythos ist, dass Kompromisse gut für eine Beziehung wären. Man müsste lernen, wie man Kompromisse eingeht, dann würde man eine glückliche Beziehung leben. Das könnte gar nicht weiter entfernt von der Wahrheit sein. Das Gegenteil stimmt: Man muss lernen, wie man Kompromisse vermeidet, wenn man eine glückliche Beziehung führen will.
Betrachte es mal so: Bei einem Kompromiss kriegt niemand, was er will. Beide müssen einstecken, geben sich damit aber zufrieden, weil der Andere seinen Willen auch nicht bekommen hat. Das heißt übersetzt: Beide sind unzufrieden und froh, dass der Andere es auch ist. Das ist keine Basis für eine glückliche Beziehung.
Wer wirklich an seiner Beziehung arbeiten will, muss lernen, wie man es schafft, dass beide bekommen, was sie wollen – und das ist möglich.
Ein Beispiel: Du willst Essen gehen. Dein Mann will einen Film gucken. Jetzt könnt ihr einen Kompromiss finden. Die bessere Variante wäre aber herauszufinden, was die Motivation hinter euren Wünschen ist. Dann erkennt ihr, dass es dir gar nicht ums Restaurant geht. Du willst nur nicht kochen. Dein Mann will Geld sparen und deshalb zuhause bleiben. Die Lösung: Dein Mann kocht für dich und ihr schaut dann zuhause einen Film. Jetzt habt ihr beide zu 100%, was ihr wolltet.
Das lässt sich auf die meisten Konflikte übertragen. Kompromisse unter Erwachsenen sind meistens komplett unnötig. Ihr streitet schließlich nicht um die letzte Milchschnitte, die man einfach teilen kann.
Wie ihr so kommuniziert, dass Kompromisse unnötig werden, lernt ihr in der Paartherapie. Du kannst mich hier kontaktieren und einen Termin zum Erstgespräch ausmachen oder eine Email an hallo@fraginga.de schicken.
Mythos 2# Beziehungsarbeit heißt „über Probleme reden“
Stell dir drei Paare vor. Eins redet offen über jedes Problem. Das zweite Paar vermeidet es über Probleme zu reden. Sie hoffen einfach, dass es sich von selbst erledigt. Das dritte Paar streitet explosiv. Welches der drei Paare ist in zehn Jahren noch zusammen? Die Antwort: Es sind alle drei.
In unserer Gesellschaft idealisieren wir so genannte „konstruktive Partnerschaften“. Das sind Paare, die ausgesprochen positiv und liebevoll miteinander umgehen und jedes Problem ausdiskutieren. Es gibt aber noch zwei weitere Beziehungsformen, die genauso gut funktionieren!
Der Psychologe John Gottman hat in seinen Forschungen funktionierende Beziehungsmuster erstmals untersucht und benannt. Konstruktive Partnerschaften sind die bekannteste Form der glücklichen Beziehungen. So genannte Konfliktvermeidende Partnerschaften waren aber genauso stabil und glücklich.
An der Beziehung zu arbeiten heißt also keineswegs zwangsläufig, dass man über Probleme reden muss. Vielleicht ist euer Beziehungsmuster einfach konfliktvermeidend. Dann wärt ihr unglücklich, wenn ihr alles ausdiskutieren müsstet. Lasst euch nicht vom gesellschaftlichen Druck verunsichern. Es gibt sehr viele Paare, die Probleme unter den Tisch fallen lassen und dennoch sehr glücklich miteinander sind.
Im Übrigen: Selbst unter den Menschen, die keine konfliktvermeidenden Partnerschaften führen, ist es nicht sinnvoll jedes Problem auszudiskutieren. Viele Beziehungsprobleme sind nicht lösbar. Das liegt daran, dass diese Probleme aus grundlegenden Persönlichkeitsunterschieden entspringen. Du kannst deinem Partner für den Rest eures Lebens vorwerfen, dass er bei Familienfeiern nicht mehr aus sich herausgeht. Oder du hältst die Klappe, genießt deinen Sekt und realisierst, dass dein Mann introvertierter ist als du.
Kleiner Tipp: Wenn du mehr über die Forschungen von John Gottman wissen willst, empfehle ich dir sein Buch „Die 7 Geheimnisse einer glücklichen Ehe“ (hier bei Amazon bestellen)*. Gottman ist der vielleicht bekannteste Forscher der Welt auf dem Gebiet der Beziehungen und hat herausgefunden, was genau eine Beziehung scheitern lässt, aber eben auch, was sie glücklich verlaufen lässt – und welche drei glücklichen Paartypen es gibt.
Mythos 3# Beziehungen funktionieren nur bei einer 50/50-Aufteilung
Ein weiteres Märchen ist, dass Beziehungen immer 50/50 sein müssen. Es heißt, beide müssten sich in der Mitte treffen. Jeder übernimmt die Hälfte der Beziehungsarbeit und dann läuft es. Tatsächlich scheitert es dann.
Wir erinnern uns daran, dass die Beziehung zwar zu 50% aus dir und zu 50% aus ihm besteht. Aber jeder von euch füllt seine 50% mit 100% von sich. Deshalb müsst ihr auch beide 100% von euch geben, damit die Beziehung erfüllt bleiben kann. Es müsste also eigentlich 100/100 lauten.
Wenn beide 50% geben, fehlt der Beziehung immer etwas. Außerdem passiert Folgendes: Ihr fangt an mitzuzählen, was der Andere macht, weil ihr darauf bedacht seid, nie mehr zu geben, als ihr bekommt. Du siehst zum Beispiel, dass dein Partner heute nur 30% gegeben hat. Also gibst du auch nur 30. Warum solltest du mehr geben als er? Dein Mann hat aber eine andere Wahrnehmung als du. Er glaubt, sein Soll erfüllt zu haben und ist frustriert, dass du deinen Teil der Abmachung nicht eingehalten hast. Morgen wird er deshalb bewusst weniger machen. Jetzt seid ihr gegenseitig dabei euch zu unterbieten.
Euer Gerechtigkeitssinn wird euch darin vielleicht bestärken, aber eure Beziehung wird leiden und scheitern.
Wenn dagegen beide versuchen 100% zu geben, verändert sich eure Beziehungsdynamik. Ihr werdet spüren, dass der Andere alles gibt. Außerdem ist jeder eher dazu bereit, den Fehler auch mal bei sich selbst zu suchen. Jetzt müsst ihr euch nämlich ehrlich fragen, ob ihr wirklich 100% gegeben habt.
Lies auch: Warum eine Beziehung nie so bleiben kann, wie sie am Anfang war