Hallo liebe Inga,
mein Freund hat immer etwas an mir auszusetzen und ich werde für meine Reaktionen und meine Mimik ständig kritisiert, ohne dabei ihn angegriffen zu haben (…)
Ein Beispiel: Ich warte schon sehenswürdig auf seinen Scheidungstermin, damit wir endlich heiraten können. Heute ist das Schreiben gekommen und der Termin steht fest. Er ist allerdings erst (…), obwohl wir alles früh eingereicht haben. Meine Reaktion war: „Soooo spät!“ Und das war’s, mehr habe ich nicht zu ihm gesagt. Meine Mimik war eher ein trauriges Gesicht (…) Auf einmal eröffnet er eine Diskussion und sagt: „Statt dich zu freuen, reagierst du so. Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen.“ (…) Daraus wurde ein heftiger Streit und es wurde mir sofort vorgeworfen, dass mir nie etwas passt. (…) Er hat mich so angegriffen, dass ich zum Schluss geplatzt bin und gesagt habe: „Darf ich meinen Gefühlen keinen freien Lauf mehr lassen? Muss ich jetzt etwa schweigen und auf meine Mimik achten, weil es dir nicht passt?“Ich kann einfach nicht mehr und es ist immer IRGENDETWAS, was ihn stört. Am besten zeige ich keine Reaktion und treffe keine Aussagen. (…) Das ist nur ein Beispiel von vielen, wo meine Reaktion ständig bewertet wird. Ich bin sehr traurig und müde. Brauche einen neutralen Rat!
Herzlichen Dank für deine Hilfe!
LG Romy
Liebe Romy,
ich kann deinen Frust total verstehen. Es ist sehr belastend, wenn man das Gefühl hat, vom eigenen Partner nicht akzeptiert zu werden. Niemand möchte sich konstant zurückhalten und aufpassen, was er sagt, oder wie er guckt. Du hast das Gefühl, es deinem Partner nicht rechtmachen zu können. Deine Taten und sogar deine Mimik werden verurteilt. Das ist in der Tat ermüdend und muss aufhören. Die Ironie dabei ist, dass dein Partner wahrscheinlich dieselben Gefühle hat. Tatsächlich sagt er dir das sogar.
Er wirft dir vor, dass dir „nie etwas passt“. Das bedeutet: Er hat ebenfalls das Gefühl, dass du immer etwas auszusetzen hast. Ihr seid also beide im selben Boot.
Jetzt könnte man mutmaßen, woher das Ganze kommt. Wer von euch beiden hat recht? Wer hat angefangen? Aber mal ehrlich: Damit wäre niemandem geholfen. Wer in einer Beziehung darum streitet, wer recht hat, oder wer angefangen hat, hat schon verloren. Diese Diskussionen kann man auf dem Schulhof lassen. Wichtig ist für euch jetzt nur, Schritte zu unternehmen, damit ihr beide nicht mehr das Gefühl habt, dass der Andere ständig etwas auszusetzen hat. Es hilft, wenn ihr beide Schritte dahingehend unternehmt, aber für den Anfang reicht es auch, wenn du alleine daraufhin arbeitest. Denn eins muss vorab klar sein: Du kannst nicht beeinflussen, was er macht. Also konzentrieren wir uns darauf, was du machen kannst.
Wie ihr aus der Streitspirale aussteigen könnt, lernt ihr im Rahmen einer Paartherapie. Du kannst mich gleich hier für ein Erstgespräch kontaktieren.
Wenn er immer etwas auszusetzen hat: 1# Schlag nicht zurück
Wenn wir uns angegriffen fühlen, reagieren wir meistens noch bevor der Verstand überhaupt Zeit hatte, die Situation richtig einzuschätzen. Wir fühlen uns verletzt oder in unserem Ego angekratzt und holen deshalb zum Gegenschlag aus. Das solltest du aus drei wichtigen Gründen vermeiden:
- Du erhöhst damit dein eigenes Stresslevel und vermiest dir selbst die Laune. Das kann nicht in deinem Sinne sein.
- Du verschlimmerst dadurch den Streit, weil ihr euch dann beide anschreit. Das treibt euch weiter auseinander und verhärtet die Fronten.
- Du vermittelst ihm das Gefühl, er hätte einen wunden Punkt getroffen. Wenn du dich so emotional wehrst, glaubt er am Ende nur, er hätte mit seiner Kritik recht.
Im Umgang mit Menschen gilt ein wichtiger Grundsatz, den ich immer wieder predige: Negatives Verhalten wird nicht mit Aufmerksamkeit belohnt. Wenn du das Gefühl hast, dass dein Mann dich gerade richtig unfair behandelt oder gemein ist, sollte deine erste Reaktion sein, dass du dich zurückziehst. Gib euch beiden einen Moment Zeit und sprich das Thema später noch einmal an. Wenn die Gemüter erhitzt sind, bringt es sowieso nichts, mit ihm zu reden.
Wenn du Hilfe dabei brauchst, komm zu mir in die Einzelberatung. Beziehungsarbeit ist am Ende immer Arbeit an sich. Du kannst mich gleich hier für ein Erstgespräch kontaktieren.
Wenn er immer etwas auszusetzen hat: 2# Ordne seine Gefühle richtig ein
Wenn dein Mann etwas an dir auszusetzen hat, fühlt es sich extrem persönlich an. Es ist ja auch persönlich, er greift dich an. Aber das etwas Unlogische an dieser Sache ist, dass es dennoch nichts mit dir zu tun hat. Wenn immer du das Problem bist, bist du nicht das Problem.
Das menschliche Gehirn ist so gestrickt, dass es die Umwelt so wahrnimmt, dass sie zum eigenen Innenleben passt. Unsere Stimmung und unsere Glaubenssätze sind quasi wie ein Filter, durch den wir unsere Umgebung sehen. Forscher haben in einem Experiment Probanden Fotos von glücklichen oder unglücklichen Menschen gezeigt. „Gezeigt“ ist allerdings relativ, denn die Fotos sind so kurz aufgeflackert, dass man sie nicht bewusst wahrnehmen konnte. Sie wirkten lediglich auf das Unterbewusstsein der Probanden. Danach sollten die Probanden neutrale Gesichter bewerten. Wer vorher glückliche Fotos in seinem Unterbewussten wahrgenommen hat, war geneigt, neutrale Gesichtsausdrücke als glücklich zu werten. Wer unglückliche gesehen hatte, bewertete auch die neutralen Gesichter eher als unglücklich. Frei übersetzt bedeutet das: So wie du dich fühlst, so siehst du auch die Welt.
Du kennst es auch von dir. Wenn du gut gelaunt bist, wirkt die ganze Welt viel schöner. Wenn du schlecht gelaunt bist, ist alles kacke. Bei deinem Freund ist es nicht anders. Wenn sein Innenleben gerade negativ ist, dann wird er auch sein Umfeld (also konkret dich) in einem negativen Licht sehen. Dann ist es fast egal, was du tust. Es wird immer einen Weg geben, um deine Handlung negativ zu interpretieren.
Eine weitere Studie der University of Toronto hat zudem herausgefunden, dass schlechte Laune zu einer Art Tunnelblick führt. Sie zeigten Probanden Fotos, auf denen ein Gesicht in der Mitte und eine Umgebung (wie zum Beispiel ein Haus) um das Gesicht herum abgebildet waren. Probanden, deren Launen vorher negativ beeinflusst wurden, sahen nur das Gesicht. Probanden, deren Launen positiv beeinflusst wurden, sahen auch die Umgebung. Das bedeutet: Wenn dein Freund schlecht drauf ist, ist er viel eher dazu geneigt, sich auf eine Sache einzuschießen und äußere (mildernde) Umstände auszublenden.
Du hast auch ein Beziehungsproblem, das dich nachts nicht schlafen lässt? Dann schreib mir eine Mail an hallo@fraginga.de oder kontaktiere mich hier.
Wenn er immer etwas auszusetzen hat: 3# Sieh seine Kritik als Feedback
Es stimmt zwar, dass seine Einstellung und auch sein Verhalten nichts mit dir zu tun haben. Wenn dein Freund immer etwas auszusetzen hat, hat er eine negative Grundhaltung. An der kannst du gar nichts ändern. Aber in Beziehungen gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass dein Freund ein Arsch ist, während du komplett unschuldig bist, ist extrem gering. Um nicht zu sagen, das ist unmöglich, weil so eine Beziehungskonstellation nicht halten würde (vermutlich nicht einmal zustandekommen würde). Egal, wie dünn du den Teig ausrollst, er hat immer zwei Seiten. Dein Freund sagt dir ja sogar, dass er ebenfalls das Gefühl hat, es dir nicht rechtmachen zu können.
So wichtig es auch ist, dass du seine Worte nicht direkt persönlich nimmst. Du solltest sie dennoch ernst nehmen.
Männer und Kommunikation sind ja so eine Sache. Oft wollen sie einfach nicht kommunizieren, weil sie nicht wissen, wie. Aber wenn sie etwas sagen, dann sollten wir auch zuhören. Meistens sagen sie ziemlich direkt, was sie fühlen. Man muss bei ihnen nicht zwischen den Zeilen lesen.
Dein Freund glaubt, es dir „nie rechtmachen“ zu können. Dein Freund glaubt auch, dass du negativ reagierst, „statt dich zu freuen“. Kann es sein, dass ihr beide dasselbe Problem habt? Denn denk einmal so darüber nach: Dein Freund hat keinen Grund zu lügen. Wenn er diese Dinge sagt, dann glaubt er sie auch. Die Chancen stehen also gut, dass etwas Wahres dran ist. Hast du vielleicht gerade auch eine negative Grundhaltung?
Eine Sache habe ich in deinem Brief nämlich nicht gesehen: Einen Perspektivenwechsel. Du hast nicht versucht, dich in ihn hineinzuversetzen. Wie hat er die Situation mit dem Scheidungstermin erlebt? Es kann also sein, dass du gerade auch einen Tunnelblick hast, genau wie er. Es wäre auch nicht ungewöhnlich. Wir werfen in einer Beziehung unserem Partner oft genau das vor, was wir selber tun.
Lesetipp: Ständiger Streit in der Beziehung – DAS kannst du dagegen tun
Wenn er immer etwas auszusetzen hat: 4# Geh davon aus, dass er es gut meint
Warum du so auf den Scheidungstermin reagiert hast, kann ich nachvollziehen. Du willst, dass er nicht mehr an eine andere Frau gebunden ist. Du willst endlich den Mann, den du liebst, heiraten. Du hast schon so lange gewartet. Vielleicht hast du dir insgeheim sogar gewünscht, dass er auch traurig reagiert, dass der Scheidungstermin so lange auf sich warten lässt. Einfach als kleiner Beweis, dass er sich genauso auf den Tag freut wie du.
Aber jetzt machen wir mal einen kleinen Perspektivenwechsel.
Dein Freund steckt mitten in einer Scheidung. Der Prozess ist langwierig. Er ist oft teuer und er ist emotional aufreibend. Gleichzeitig hat er aber noch dich, an die er denken muss und will. Er versucht dir eine Stütze zu sein, während er selber irgendwie mit dieser Situation zurechtkommen muss. Zudem hat man in einer Scheidung wenig Einfluss. Du kannst den Prozess zwar starten und alles richtig machen, aber was dabei herauskommt, liegt nicht an dir. Es geht hier um Gesetze, Vorschriften, Anwälte, Gerichte und natürlich auch den Ex-Partner – sie alle bestimmen mit, wie lange der Prozess dauert. Du sagtest sogar, dass ihr alles früh eingereicht habt und trotzdem dauert es länger als erwartet. Er war also auch frustriert. Er hat versucht alles richtig zu machen. Er hat es wirklich gut gemeint und trotzdem hat es nicht geklappt und seine Freundin war enttäuscht. Dann hat er wütend reagiert, aber Wut ist eine sekundäre Emotion. Sie überdeckt eigentlich immer eine von zwei primären Emotionen: Angst oder Traurigkeit.
Du kannst dir also sicher sein, dass dein Freund in dieser Situation auch traurig war. Er hätte jemanden gebraucht, der das Positive in der Situation sieht und ihm so beisteht. Deshalb hat er gereizt reagiert. Deute sein Verhalten in dem Fall als Überforderung.
Es gab mal eine Studie, bei der fast 400 Paare analysiert wurden, die im Schnitt 39 Jahre verheiratet waren. Was die Forscher herausgefunden haben, ist eine gute Nachricht für alle Frauen: Männer sind glücklich, wenn ihre Frauen glücklich sind. Mehr brauchen sie nicht!
War die Frau in der Beziehung glücklich, war der Mann automatisch auch glücklich mit der Beziehung und mit seinem Leben. Andersrum galt das übrigens nicht.
Du kannst also davon ausgehen, dass dein Freund bei allem, was er tut, nur ein Ziel hat: Dich glücklich zu sehen. Sein eigenes Glück hängt davon ab. Wenn er es nicht schafft, dich glücklich zu machen, kann sich das für ihn wie persönliches Versagen anfühlen. Auch wenn er rational weiß, dass dein Glück nicht von ihm abhängt.
Heißt all das, dass du jetzt immer happy sein musst und nie enttäuscht sein darfst? Nein, auf keinen Fall. Du darfst und sollst weiterhin das Positive wie das Negative sehen. Es heißt nur, dass er dich glücklich machen will.
Braucht ihr Hilfe dabei, wieder zueinander zu finden und eure Probleme endlich in den Griff zu kriegen? Dann lass mich euch helfen und kontaktiere mich gleich hier für eine Paarberatung.
Wenn er immer etwas auszusetzen hat: 5# Arbeite an deiner eigenen Stärke
Wir werden groß mit diesem Glauben, dass der Mann der Fels in der Brandung sein muss. Er ist der Beschützer, die starke Schulter zum Anlehen. In all diesen Glaubenssätzen ist nur leider gar kein Platz für Schwäche. Wo darf denn der Mann sich mal fallen lassen?
Wenn es ums Schwäche zeigen geht, dann haben wir dieses Bild vor Augen, von einem Mann, der weint, weil etwas Schlimmes passiert ist. Aber normale menschliche Emotionen wie Trauer sind keine Schwäche.
Ein echter schwacher Moment ist, wenn dein Mann dich grundlos anzickt und seine Laune an dir auslässt. Wenn er sich auf die Seite seiner Mutter stellt, weil er sich nicht traut, für dich einzustehen. Wenn er sich entscheidet, lieber zu zocken, statt wie versprochen die Küche aufzuräumen. Es sind diese Momente, die wirklich schwach sind. Wenn seine hässlichen Seiten zum Vorschein kommen.
Du hast gesagt, ihr wollt heiraten. Dann stell dich auf verdammt viele schwache Momente auf beiden Seiten ein. Die Ehe ist so ziemlich das Herausforderndste, was zwei Menschen gemeinsam machen können. Abgesehen davon gemeinsam Kinder großzuziehen, aber das geht ja oft Hand in Hand.
Wenn du ihn heiratest, garantiere ich dir, dass er dich wahnsinnig machen wird. Er wird anstrengend, egoistisch, unlogisch und manchmal auch gemein sein. Genau wie du. Wer einem Menschen nahe kommt, sieht immer auch die hässlichen Seiten. Sie gehören untrennbar zu unseren guten Seiten dazu.
Wer eine glückliche Ehe will, die von Liebe, Sicherheit und Spaß geprägt ist, muss auch die hässlichen Momente aushalten.
Was dir in diesen hässlichen Momenten helfen wird, ist innere Stärke. Wer sie hat, kann für den Anderen da sein und ihm so erlauben, sich auch mal fallen zu lassen. Wer innerlich stark ist, kann aber auch für sich selber da sein. Deshalb ist innere Stärke auch das, was dir am meisten helfen wird, damit zurecht zu kommen, wenn er etwas an dir auszusetzen hat.
Je gefestigter du in dir selbst bist, desto mehr ist dir egal, was andere dir an den Kopf werfen. Aus Selbstsicherheit kommt die Gelassenheit, um ruhig für sich selbst einzustehen und das Richtige für sich zu tun, auch wenn andere Menschen nicht einverstanden sind.
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