
Es gibt kaum etwas, mit dem Frauen schlechter zurechtkommen, als wenn ihre Männer ständig genervt von ihnen sind. Das Ganze hat auch rein gar nichts mit Unsicherheit zu tun, sondern es gibt einen biologischen Grund dafür.
Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist, oder dir die kalte Schulter zeigt, siehst du deine Beziehung bedroht. Das aktiviert den primitiven Teil deines Gehirns, die Amygdala. Dieser Teil deines Gehirns ist für den Kampf- oder Flucht-Mechanismus verantwortlich. Die Amygdala sorgt dann dafür, dass dein Körper mit so genanntem „Flooding“ reagiert.
Psychologe und Forscher John Gottman war derjenige, der herausgefunden hat, dass es bei Beziehungsproblemen zu Flooding kommt. Als erstes schießt dabei der Puls in die Höhe. Dann wird Blut in die Muskulatur gepumpt und wir sind angespannt. Das ist hilfreich, wenn man vor einem wilden Tier flüchten muss. In einer Beziehung hat das jedoch zur Folge, dass wir schlechter kommunizieren können. Flooding legt den Fokus auf die Muskulatur und nicht das Hirn.
Wenn du vor einem Säbelzahntiger flüchtest, musst du nicht konzentriert denken. Du musst nur schnell laufen. Wenn du aber gerade schweigend vor deinem Mann sitzt, bekommst du dank Flooding Kopfschmerzen, schwitzige Hände oder dir wird schwindelig. Gut kommunizieren ist dann jedenfalls nicht.
Gottman hat außerdem herausgefunden, dass Flooding Männer und Frauen anders trifft.
Männer sind anfälliger für Flooding. Bei ihnen kommt es schneller dazu und sie brauchen länger, um sich davon zu erholen. Außerdem reicht oft schon kleine Kritik von ihren Frauen, um Flooding auszulösen.
Frauen lassen sich von Kritik nicht so schnell aus der Bahn werfen. Doch es gibt etwas, dass auch bei Frauen schnell Flooding auslöst: Geringschätzung. Mit anderen Worten: Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist, und dich das durch Worte und/oder Taten spüren lässt, dich also gering schätzt, löst das in dir Flooding aus, eine körperliche Stressreaktion.
Tipp: Wenn du genauer nachlesen willst, wie das mit dem „Flooding“ funktioniert und was Gottman sonst noch so herausgefunden hat, kannst du das in seinem Buch „Why Marriages succeed or fail“ (auf Deutsch: Warum Ehen funktionieren oder scheitern) nachlesen. Du kannst es auf Englisch hier bei Amazon bestellen.* Das Buch gibt es leider nicht auf Deutsch (zumindest konnte ich es nicht finden. Lass mich gerne wissen, wenn du es bei Amazon entdeckst).
Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist: 1. Geh auf Abstand
Jetzt wo du weißt, dass es in dir Flooding auslöst, wenn dein Mann dich geringschätzend behandelt, kannst du damit umgehen. Wenn du das nächste Mal „gefloodet“ bist, musst du erst einmal dafür sorgen, dass du wieder runterkommst.
Das Erste, was du tun solltest, ist daher, auf Abstand zu gehen. Entziehe dich der Flooding-Quelle, also in diesem Fall deinem Mann.
Frauen brauchen laut John Gottmans Forschungsergebnissen etwa 20 Minuten, um ihren Puls zu normalisieren und die Auswirkungen des Flooding zu beheben.
Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Grund, weshalb du dich distanzieren solltest. Es ist ein Grundsatz, nach dem ich persönlich lebe:
Negatives Verhalten wird nicht mit Aufmerksamkeit belohnt.
Die meisten kennen diesen Grundsatz bloß aus der Kindererziehung, aber er ist bei Erwachsenen genauso effektiv.
Wenn dein Mann mal wieder seine schlechte Laune an dir ausgelassen hat, oder nur noch von dir genervt zu sein scheint, entzieh dich dieser Situation. Er war gerade unfair zu dir. Warum sollte er die Chance bekommen, noch einmal seine Laune an dir auszulassen?
Natürlich bist du verletzt und willst wissen, warum er sich so verhalten hat, aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür. Erstens kannst du noch nicht gut kommunizieren (du bist gefloodet) und zweitens würdest du sein negatives Verhalten durch eine Unterhaltung nur bestärken. Negative Aufmerksamkeit ist auch Aufmerksamkeit.
Hast du früher „Die Supernanny“ geguckt? Kinder, die keine Aufmerksamkeit bekommen, benehmen sich daneben, um wenigstens negative Aufmerksamkeit zu kriegen. Angeschrien und bestraft zu werden, ist diesen Kindern lieber, als gar nicht beachtet zu werden.
Also verinnerliche diesen Grundsatz: Negatives Verhalten wird nicht mit Aufmerksamkeit belohnt. Nicht-Beachtung ist die größte Strafe. Das gilt nicht nur für Kinder, das gilt für alle Menschen.
Das nächste Mal, wenn dein Mann dich übermäßig spüren lässt, dass er genervt von dir ist, mach Folgendes: Sag ihm in zwei Sätzen, wie er sich verhält (oft merkt man das selbst nämlich gar nicht) und warum du das nicht okay findest (in nur einem Satz) und dann geh. Sprich so wenig wie möglich.
Geh eine Runde spazieren oder triff dich mit einer Freundin. Im Notfall reicht es auch, wenn du nur ins Bad verschwindest und dir eine Gesichtsmaske gönnst. Hauptsache du bist für ihn nicht erreichbar – mindestens 20 Minuten lang.
Wenn er am Telefon zickig war, beende das Telefonat. Wenn er eine biestige Nachricht geschrieben hat, antworte nicht. Dadurch kommunizierst du ihm, dass er eine Grenze überschritten hat. Meckern hilft nicht. Im Gegenteil: Es löst nur Flooding bei ihm aus und verschlimmert die Situation, weil er dann erst recht nicht mehr klar denken kann.
Lesetipp: Eine Beziehungsratgeber-Autorin, die dieses Prinzip verinnerlicht hat, ist Sherry Argov. Deshalb liebe ich auch ihr Buch „Why Men love Bitches“ oder auf Deutsch „Warum die nettesten Männer die schrecklichsten Frauen haben“. Wenn du lernen möchtest, wie du mit negativem Verhalten von Männern umgehen kannst, ist dieses Buch genau das richtige für dich. Du kannst es gleich hier bei Amazon bestellen.*
Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist: 2. Keine Macht der Angst
Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist, weckt das in dir alle möglichen Ängste. Vielleicht hast du Angst, dass er dich nicht mehr liebt. Vielleicht befürchtest du, er könnte eine Affäre haben. Oder du glaubst, dass er an eine Trennung denkt. Räum solchen Gedanken so wenig Raum wie möglich ein. Sie verstärken deine Angst und damit auch weiteres Flooding. Deutlich besser für dich und deine Beziehung sind beruhigende Gedanken.
Die Wahrheit ist, dass du nicht weißt, was er denkt. Du weißt auch nicht, wie er fühlt.
Selbst wenn er tatsächlich an eine Trennung denken sollte, wäre es kontraproduktiv, wenn du darüber grübelst, dass er darüber grübelt. Aus Angst verlassen zu werden, würdest du vermutlich nur klammern, kontrollsüchtig werden, oder andere Dinge tun, die ihn in seinen Gedanken an eine Trennung nur bestärken würden.
Angst ist nicht dein Freund – außer du wirst gerade von einem wilden Tier angegriffen.
Dass dein Mann nur noch genervt von dir ist, ist bereits schlimm genug. Du machst es nur schlimmer, indem du Ängste obendrauf packst. Dein Mann benimmt sich gerade daneben, aber er liebt dich wahrscheinlich trotzdem. Manchmal sind wir einfach unfair zu den Menschen, die wir am meisten lieben.
Also: Halte deine eigenen Gedanken in Schach und lass nur solche zu, die dich beruhigen. Keine Macht den Gedanken, die dich zusätzlich stressen. Sie vergrößern das Problem unnötig.
Lesetipp: Eheprobleme lösen: Diese 6 Maßnahmen wirken IMMER
Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist: 3. Nimm es nicht persönlich
Es ist sehr gut möglich, dass dein Mann selbst noch gar nicht weiß, warum er ständig genervt ist. Es ist sogar gut möglich, dass seine Laune tatsächlich gar nichts mit dir zu tun hat. Du kriegst sie bloß ab.
Dein Mann weiß, dass du ihn auch dann noch lieben wirst, wenn er sich daneben benimmt. Unbewusst fühlt er sich dadurch sicher und lädt deshalb seine negativen Emotionen bei dir ab. Das macht es nicht okay und bedeutet auch nicht, dass du es tolerieren musst. Aber es kann gut sein, dass das der einzige Grund ist, warum er so oft genervt von dir ist.
Das wäre sogar etwas Positives. Kinder benehmen sich schlechter bei Mama, weil sie sich dort angenommen und geliebt fühlen und Männer benehmen sich aus demselben Grund schlechter bei ihren Frauen.
Noch eine Option: Er ist unzufrieden mit seiner Gesamtsituation. Aber anstatt sich damit auseinanderzusetzen, projiziert er seine negativen Emotionen auf dich. Du wirst zum Sündenbock für seine Unzufriedenheit. Das ist nicht fair, aber auch das passiert oft.
Bevor du eure gesamte Ehe in Frage stellst, frag dich, ob es im Leben deines Mannes gerade irgendeine Krise gibt. Diese Krise kann verschiedene Gestalten annehmen:
- Ein Problem bei der Arbeit
- Ein Verlust
- Ein gesundheitliches Problem
- Stress
- Schlafprobleme
- Einsamkeit
- Zu wenig Freizeit
- Finanzielle Probleme
- Eine persönliche Krise
Potenziell kann sogar eine Depression dazu führen, dass sich sein Verhalten drastisch ändert und er sich gegen dich wendet.
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Wenn dein Mann tatsächlich gerade eine schwierige Zeit durchmacht, kannst du Mitgefühl zeigen. Aber Achtung: Mitgefühl zeigen heißt nicht, dass du zu seinem emotionalen Boxsack wirst und sein Verhalten entschuldigst.
Du kannst empathisch sein und trotzdem eine Grenze ziehen, wenn er unnötig zickt oder gar respektlos wird. Distanzier dich in solchen Momenten wie in Punkt 2 beschrieben.
Aber: Wenn du weißt, dass dein Mann gerade wirklich ein Problem hat und nur deshalb gereizt ist, kannst du im Alltag darauf Rücksicht nehmen. Du kannst ihm seine Ruhe lassen und nicht nachbohren, was mit ihm los sei (du weißt es ja eh). Oder du lässt ihm mal durchgehen, dass er den Müll nicht rausgebracht hat. Es geht einfach um liebenswerte Kleinigkeiten im Alltag. Sie kosten dich nichts, aber können sein Leben deutlich einfacher machen.
Es wäre natürlich einfacher, wenn er mit dir kommunizieren würde, aber manche Männer weigern sich schlicht, ihre Frauen an dem, was sie beschäftigt, teilhaben zu lassen. Wenn auch du so einen Mann hast, könntet ihr von einer Paartherapie profitieren. Oft ist es einfach sich zu öffnen, wenn eine neutrale dritte Person dabei ist. Du kannst mich gleich hier kontaktieren und ein Erstgespräch vereinbaren.
Wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist: 4. Evaluiere dein Verhalten
Hand aufs Herz: Wie viel Spaß macht es, mit dir zusammenzuleben?
Es stimmt zwar, dass es oft nichts mit dir zu tun hat, wenn dein Mann nur noch genervt von dir ist. Manchmal liegt es aber sehr wohl an dir.
Wie oft lachst du mit deinem Mann? Wie oft beschwerst du dich oder nörgelst? Sind es im Verhältnis deutlich mehr negative Interaktionen als positive? Jetzt, wo er nur noch genervt ist, fasst du ihn vermutlich eher mit Samthandschuhen an, aber wie war es in den Monaten davor? Manchmal merken wir gar nicht, wie sich unser eigenes Verhalten schleichend verändert.
Es fängt mit berechtigten Beschwerden an.
Dein Mann lässt die Schranktüren offenstehen. Du machst sie zu, verdrehst aber die Augen. Er schmeißt die Wäsche auf den Boden statt in den Wäschekorb. Du räumst auf und motzt. Er will lieber zuhause bleiben statt auszugehen. Ihr streitet. Je mehr sich diese Vorfälle häufen, desto mehr verwandeln sich deine Beschwerden in vernichtende Urteile. Jetzt unterstellst du ihm nicht mehr, dass er vergessen hat den Müll rauszubringen, sondern dass er zu faul dafür ist.
Aus Kritik ist ein persönlicher Angriff geworden.
Das kommt in den besten Beziehungen vor, aber wenn der Zustand über längere Zeit so bestehen bleibt, vergiftet dies die Beziehung. Das Verhältnis von positiven Interaktionen zu negativen gerät aus dem Gleichgewicht und beide leiden darunter.
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Laut John Gottman sind Frauen deutlich anfälliger für diese negative Form der Kritik als Männer. Vielleicht weil der Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung nach wie vor an uns hängen bleibt – trotz Vollzeit-Job. Das hat John Gottman nicht untersucht. Er ist halt auch ein Mann.
Wenn dein Mann sich andauernd angegriffen fühlt, ist es kein Wunder, dass er sich irgendwann revanchiert.
Sein Beitrag wird nicht gesehen, dafür fällt alles auf, was er nicht macht (oder falsch macht). Er fühlt sich nicht akzeptiert und nicht wertgeschätzt. Vielleicht fühlt er sich auch kontrolliert. All das führt früher oder später zu Geringschätzung – oder sogar Verachtung. Dann dreht sich der Spieß um und er ist nur noch genervt von dir.
Geringschätzung und Verachtung sind harte Worte, doch diese Gefühle tauchen früher oder später in den meisten Ehen auf. Es ist schwierig ein Leben lang, trotz aller Probleme und Widrigkeiten, harmonisch und respektvoll miteinander umzugehen. Es hat ja einen Grund, dass so viele Ehen geschieden werden. Das liegt nicht daran, dass es unfähige oder inkompatible Partner waren. Wir alle machen Fehler. Wir alle vergreifen uns im Ton. Wir alle sagen Dinge, die wir nicht so meinen. Wir alle benehmen uns daneben. Manchmal gerät man so in eine Abwärtsspirale, aus der man alleine nicht wieder herausfindet.
Wenn du dich also oft bei dem Gedanken erwischst „Warum ist er nur noch genervt von mir?“, liegt die Antwort vielleicht bei dir. Es ist möglich, dass er dir dein Verhalten (ob gegenwärtig oder vergangen) spiegelt.
Wichtig ist nun das Ganze als Weckruf zu verstehen, um der Abwärtsspirale zu entkommen. Sei netter zu ihm, setze trotzdem Grenzen, achte auf deine Gedankenwelt und staune, was passiert.
Wenn ihr lernen wollt, wie ihr respektvoller miteinander umgehen und kommunizieren könnt, seid ihr bei mir in der Paarberatung genau richtig. Du kannst gleich hier einen Termin für ein Erstgespräch vereinbaren.