Kritik kann eine Beziehung zerstören. Liebe und Kritik gehören trotzdem untrennbar zusammen.
Vielen Menschen ist das nicht bewusst, weil wir heutzutage eine romantisierte Vorstellung von Liebe haben. Liebe bedeutet Schmetterlinge im Bauch, bedingungslose Akzeptanz und mehr noch: Liebe bedeutet, dass man auch die Macken des Anderen liebt. Das ist so ein Bullshit.
Versteh mich nicht falsch, wenn dein Partner dich nur noch kritisiert, gibt es ein Problem. Dazu kommen wir gleich noch. Grundsätzlich gehört Kritik in einer Beziehung aber einfach dazu.
Niemand liebt es, wenn sein Partner überall dreckige Socken liegen lässt, oder andersrum, wenn man überall Haarbüschel findet. Es gibt immer etwas, das man am Anderen auszusetzen hat, weil wir alle nur Menschen sind. Wenn zwei unvollkommene Menschen miteinander ihr Leben, ihre vier Wände und ihr Bett teilen, kommt es zwangsläufig zu Kritik.
In einer echten Beziehung zeigen wir unserem Partner früher oder später alle Facetten unserer Persönlichkeit. Dazu gehören auch die nicht ganz so liebenswerten Seiten. Vielleicht neigen wir insgeheim zur Faulheit, vielleicht sind wir aufbrausend, vielleicht haben wir auch einfach eine merkwürdige Vorliebe für Schmelzkäse.
Manchmal muss es auch keine Eigenschaft sein, die man selbst negativ an sich findet. Wenn du aus einer Familie kommst, in der ihr euch liebevoll geneckt habt, kann dein Partner dieselben Kommentare als verletzende Sticheleien empfinden. In so einem Fall hat keiner von beiden per se etwas falsch gemacht und dennoch müssen beide einen Weg finden, um damit umzugehen.
Deshalb ist Kritik in einer Beziehung wichtig. Kritik stellt sicher, dass die Bedürfnisse beider Partner erfüllt werden.
Das hilft dir aber natürlich nicht, wenn du dich nur noch kritisiert fühlst. Du fühlst dich herabgesetzt und vielleicht auch nicht mehr geliebt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wollte dein Partner das nicht erreichen. Kritik in einer Beziehung ist immer etwas paradox: Ich liebe dich so wie du bist, aber ändere bitte Folgendes…
Mit diesem kleinen Wiederspruch kann eine Beziehung viele Jahre sehr glücklich fahren. Problematisch wird es erst, wenn Kritik eine gewisse Grenze überschreitet. Darum lass uns jetzt darüber sprechen, wie Kritik eine Beziehung auch zerstören kann.
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Wann Kritik in einer Beziehung schädlich wird
Unsere Gesellschaft verteufelt Kritik in Beziehungen. Es heißt dann schnell, der Partner, der kritisiert, würde zu weit gehen, hätte ein Problem mit sich selbst etc. In manchen Fällen mag das auch stimmen. Im Großen und Ganzen ist Kritik jedoch etwas Gutes und es gibt einen Bereich, in dem uns das auch klar ist: die Arbeit.
Es ist gesellschaftlich vollkommen akzeptiert, dass konstruktive Kritik bei der Arbeit wertvoll ist. Warum wir in Beziehungen nicht dieselbe Ansicht vertreten ist mir ein Rätsel.
An dieser Stelle wird Dr. John Gottman gerne falsch zitiert. In seiner Forschung fand er heraus, dass es vier Merkmale gibt, die die Abwärtsspirale einer Beziehung signalisieren. Er nannte sie die vier Reiter der Apokalypse – nur eben für Ehen.
Der erste Reiter ist Kritik. Gottman hat sein Buch jedoch auf Englisch geschrieben und darin unterschieden zwischen „complaint“ und „criticism“. Ein „complaint“, also eine Beschwerde, bezieht sich auf eine Verhaltensweise, während „criticism“ das Wesen das Anderen angreift. Im Deutschen würden wir es mit konstruktiver und destruktiver Kritik übersetzen. Gottman hat also sehr wohl unterschieden. Er hat in seinem Buch sogar geschrieben, dass konstruktive Kritik zu den gesündesten Verhaltensweisen in einer Beziehung gehört und die Beziehung stabiler macht.
Wenn du genau nachlesen möchtest, was Gottman zu Beziehungen und Kritik zu sagen hat, kannst du sein Buch „Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe“ gleich hier bei Amazon bestellen.*
Auch wenn du das Gefühl hast, dass dein Partner dich nur noch kritisiert, hör ihm zu. Hör dir seine Kritik an und überlege dann, welche Form der Kritik das ist. Es gibt einen großen Unterschied zwischen einem spezifischen Vorwurf („Du hast den Herd angelassen“) und einem Angriff auf die Persönlichkeit („Du hast schon wieder den Herd angelassen. Wie kannst du nur immer so nachlässig sein?“). Konstruktive Kritik bezieht sich auf einen konkreten Anlass und ist dabei spezifisch. Sie verletzt niemanden. Destruktive Kritik ist allgemein formuliert und verurteilt das Wesen des Anderen.
Wie ihr konstruktiv miteinander reden könnt, lernt ihr in einer Paartherapie. Du kannst mich gleich hier kontaktieren und einen Termin zum Erstgespräch vereinbaren.
Wie sich destruktive Kritik in Beziehungen einschleicht
Das heißt jetzt nicht, dass du deinem Partner nicht zuhören musst, wenn seine Kritik destruktiv ist. Nur weil er sich daneben verhält, ist das keine Entschuldigung dich auch daneben zu benehmen. Das Problem ist nämlich, dass destruktive Kritik meistens dann entsteht, wenn konstruktive Kritik auf Dauer nicht ernstgenommen wird.
Ein Beispiel: Du hast bereits 100 Mal gesagt, dass dir wichtig ist, dass das dreckige Geschirr in die Spülmaschine geräumt wird. Trotzdem bist du jeden Abend diejenige, die das Geschirr ihres Partners wegräumt. Irgendwann bist du so frustriert, dass du nicht mehr annimmst, dass er vergessen hat, das Geschirr wegzuräumen. Stattdessen wirfst du ihm vor, er hätte das verdammte Geschirr bewusst stehen lassen, weil er zu faul war und sowieso nie sein Wort hält. Klassische Eskalation von ursprünglich konstruktiv zu destruktiv.
Es ist ein wenig gemein, denn jede Beziehung braucht konstruktive Kritik, um zu wachsen. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik und er ist noch dazu rutschig. Deshalb geraten so viele Paare in die von Gottman beschriebene Abwärtsspirale.
Was du tun kannst, wenn dein Partner dich nur noch kritisiert: 1# Keine Verteidigung
Wenn wir kritisiert werden, ist der erste Impuls bei fast jedem die Kritik abzublocken. Die meisten Menschen verteidigen sich deshalb erst einmal. Sie rechtfertigen, warum ihr Verhalten okay war. Sie lenken den Fokus auf die Art und Weise wie die Kritik vorgetragen wurde, oder sie gehen direkt zum Gegenangriff über.
Das kannst du alles machen, aber es wird euch nur weiter in die Abwärtsspirale rutschen lassen.
Die sieht nämlich so aus: Erst kommt Kritik, dann die Verteidigung dagegen, dann das Mauern und schließlich Verachtung. Unterbrich diese Kette sofort, wenn dir etwas an eurer Beziehung liegt. Der schnellste Weg, um das zu tun, ist die Kritik ernstzunehmen.
Hast du schon einmal erlebt, dass aus einer ganz kleinen, harmlosen und sogar konstruktiv vorgetragenen Kritik ein richtiger Streit entstanden ist, nur weil die kritisierte Person mit der Kritik nicht zurecht kam? Das passiert andauernd. Dabei wäre die Sache in wenigen Sekunden gegessen, wenn man die Mini-Kritik einfach ernstgenommen hätte.
Es ist doch so, dass Kritik selten perfekt formuliert und zum richtigen Zeitpunkt vorgetragen wird. Meistens ist Kritik nicht einmal zu 100% zutreffend. Außerdem sind alle Beteiligten nicht perfekt, deshalb gibt es immer etwas, was man im Gegenzug kritisieren kann.
Mach das nicht. Lenk nicht vom Thema ab, rechtfertige dich nicht, geh nicht zum Gegenangriff über. Hör einfach nur zu und unterdrücke den Impuls dich zu verteidigen. So ist die Situation für alle Beteiligten am angenehmsten – und am schnellsten vorbei.
„Ernstnehmen“ ist übrigens nicht dasselbe wie „Annehmen“. Wenn du die Kritik annimmst, stimmst du dem Anderen zu. Das musst du gar nicht unbedingt. Im ersten Schritt weißt du noch nicht, ob an seiner Kritik was Wahres dran ist.
Die meisten Menschen erwarten auch gar nicht, dass du die Kritik annimmst. Sie wollen nur gehört und verstanden werden. Alles andere wäre nur ein Bonus.
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Was du tun kannst, wenn dein Partner dich nur noch kritisiert: 2# Lass dir Zeit
Man kennt aus dem Umgang mit Hunden, dass man ihnen sofort sagen muss, wenn sie etwas falsch machen. Wartet man länger als wenige Sekunden, können sie das Lob oder die Kritik nicht mehr mit ihrer Tat in Verbindung bringen. Menschen sind nicht so. Trotzdem beziehen viele diesen Grundgedanken auch auf ihre Partner.
Sie glauben, sie müssten alles sofort ansprechen. So als würde das eigene Gesagte plötzlich an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn man ein paar Stunden oder gar Tage verstreichen lässt. Nachdem du kritisiert wurdest, ist es aber wichtig, dass du dir Zeit nimmst, um darüber nachzudenken. Vor allem dann, wenn du das Gefühl hast, nur noch kritisiert zu werden.
In dem Moment, in dem du kritisiert wirst, bist du vermutlich aufgebracht. Dann ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu reagieren. Wenn wir innerlich durcheinander sind, können wir die Sachlage nicht richtig einschätzen. Nimm dir lieber die Zeit, die du brauchst, um über das Gesagte nachzudenken.
Dein Partner kann sich auch Wochen später noch an eine Situation zurückerinnern und sich mit dir darüber unterhalten. Du hast überhaupt keinen Zeitdruck.
Wenn dein Partner dich das nächste Mal kritisiert, hör ihm aufmerksam zu und sag ihm dann, dass du darüber nachdenken musst. Selbst wenn du wütend bist und das durch zusammengebissene Zähne sagen musst. Sag nur das – sonst nichts. Dann geh und denk über die Kritik nach.
Was du tun kannst, wenn dein Partner dich nur noch kritisiert: 3# Ordne die Kritik richtig ein
Die erste Frage, die du dir stellen solltest, überrascht dich jetzt vielleicht: Hat dein Partner dich überhaupt kritisiert?
Wir Menschen haben die Gabe, Dinge zu hören, die überhaupt nicht gesagt wurden. Manchmal ist der Tonfall schuld daran. In dem Fall sind wir vielleicht wirklich ein wenig wie Hunde. Wenn jemand etwas vollkommen Harmloses wütend oder genervt sagt, dann fassen wir das manchmal als Kritik auf. Dabei war die Person vielleicht wegen etwas genervt, das nichts mit uns zu tun hatte.
Vielleicht fühlst du dich auch einfach schnell kritisiert. Wenn du insgeheim selbst sehr kritisch mit dir bist, kann es passieren, dass du Dinge kritisch auffasst, die gar nicht so gemeint waren. Frag dich also, welche Absicht dein Partner mit seiner Aussage hatte. Ja, vielleicht bist du mit einer furchtbaren Person zusammen, die dich herabwürdigen und kontrollieren möchte, aber wie wahrscheinlich ist das?
Vermutlich wollte dein Partner deine Gefühle nicht verletzen. Vermutlich wollte er auch gar nicht, dass du dich schlecht fühlst. Vielleicht wollte er dich nicht einmal kritisieren. Ihn kann Vieles zu seiner Aussage motiviert haben.
Er könnte unzufrieden mit der Situation sein. Er könnte unzufrieden mit sich sein. Er könnte sich überhaupt nichts dabei gedacht haben, aber er könnte auch unzufrieden mit deinem Verhalten sein.
Versuch seine Aussage richtig einzuordnen. Manchmal wirst du das vielleicht selbst nach einer Weile nicht hinbekommen. Das ist nicht schlimm. Frag dann einfach, wie er seine Aussage gemeint hat. Vier Worte: Wie meinst du das? Er wird dir schon erklären, ob und warum er wirklich unzufrieden ist.
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Was du tun kannst, wenn dein Partner dich nur noch kritisiert: 4# Nimm die Kritik an oder lehn sie ab
Wenn du zu dem Entschluss gekommen bist, dass es Kritik war, und du darüber nachgedacht hast, musst du auch überlegen, ob du sie annimmst.
Lass die Kritik deines Partners nicht einfach unkommentiert. Bezieh Stellung dazu. Auch das gehört dazu, wenn man eine Kritik ernstnimmt. Sag deinem Partner, ob du seiner Kritik zustimmst oder nicht und warum du das so siehst.
Nicht jede Kritik über dich ist wahr. Selbst konstruktive nicht. Am Ende liegt es immer an dir zu entscheiden, ob du der Kritik zustimmst und sie annimmst. Du selbst kennst dich schließlich am besten.
Manchmal kritisiert dein Partner vielleicht auch etwas, zudem er gar kein Recht hatte. Dein Partner kann bemängeln, wie du Zwiebeln schneidest, aber solange deine Methode nicht beinhaltet, dass du sie nach ihm wirfst, kannst du deine Technik beibehalten. Es gibt mehr als nur einen Weg, eine Zwiebel zu schneiden und jeder darf für sich entscheiden, wie er es machen möchte.
Wenn du dir unsicher bist, ob die Kritik deines Partners gerechtfertigt ist, dann frag dich, ob dein Verhalten ihn tangiert hat. Hat das, was du getan hast, irgendwelche Auswirkungen auf ihn gehabt? Oder hätte es Auswirkungen auf ihn haben können? Wenn er etwas kritisiert, was ihn gar nicht betrifft, gibt es keinen Grund für dich, die Kritik anzunehmen. Musst du jetzt Zwiebeln anders schneiden, nur weil er glaubt, seine Methode wäre besser? Nein, natürlich nicht.
Wenn du dagegen versprochen hattest einzukaufen und es dann nicht getan hast, darf er darüber schon verärgert sein.
Schieb dein Ego einfach mal beiseite und überlege ehrlich, ob seine Kritik berechtigt ist. Wenn sie es ist, könnt ihr vermutlich beide davon profitieren, wenn du sie annimmst.
Wenn dein Partner nur noch kritisiert, ist ihm etwas sehr wichtig. Ist seine Kritik konstruktiv, kannst du vielleicht an dir arbeiten. Ist seine Kritik destruktiv, muss er vielleicht an sich arbeiten. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte, aber ihr müsst einen Weg finden, damit beide mit der Situation zufrieden sind. Andernfalls wird der Kreislauf aus Kritik und Verteidigung euch die Abwärtsspirale hinabschieben.
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Was du tun kannst, wenn dein Partner dich nur noch kritisiert: 5# Sag deinem Partner, wenn er zu weit geht
Wenn du die Kritik ernstgenommen hast und trotzdem zu dem Entschluss gekommen bist, dass sie unnötig oder verletzend war, sprich es an.
Sag deinem Partner zuerst, dass du über seine Kritik nachgedacht hast. Wenn du mit ihm in einigen Punkten übereinstimmst, sag ihm auch das. Dein Partner wird eher bereit sein, an seiner Art etwas zu ändern, wenn er sich gehört und verstanden fühlt. Falls du außerdem auch noch in einigen Punkten zustimmst, wird er noch mehr dazu geneigt sein, auch einen Schritt auf dich zuzugehen.
Dann erklär ihm, was dich verletzt hat.
Sag ihm zum Beispiel, dass es okay ist, wenn er enttäuscht darüber ist, dass du nicht gestaubsaugt hast, obwohl du es versprochen hattest. Es ist aber nicht okay, dich deswegen als faul zu bezeichnen. Du hattest einfach einen harten Tag und keine Energie mehr für den Haushalt. Das kommt vor.
Am Ende ist auch der Umgang mit Kritik etwas, dass man in Beziehungen ausdiskutieren muss. In Beziehungen ist so gut wie nichts selbstverständlich oder normal. Alles muss verhandelt werden.
Das hat aber den Vorteil, dass man sich so im Laufe der Zeit eine Beziehung schafft, die genau zu beiden Partnern passt. Dafür ist nur wichtig, dass man am Ball bleibt und die Beziehung kontinuierlich nach den eigenen Wünschen gestaltet.