
Am Anfang eurer Beziehung habt ihr noch nächtelang durchgequatscht. Er wollte alles von dir wissen. Wie deine Kindheit war, welche Musik du gerne hörst, welches Essen dir schmeckt – alles war spannend. Du hattest das Gefühl, den Menschen gefunden zu haben, der dein Innerstes sieht und dem gefällt, was er sieht. Es gab kein Verstecken mehr, du konntest dich endlich so zeigen, wie du wirklich bist.
Nach ein paar Jahren der Beziehung sind solche Gespräche eher die Ausnahme als die Regel. Man kennt die Einstellungen des Anderen und hat von allen besonderen Erlebnissen schon einmal gehört. Zumindest ist das der Irrglaube, dem wir gerne verfallen. Je länger man sich kennt, desto eher geht man davon aus, schon zu wissen, was der Andere denkt und was ihn beschäftigt.
Tatsächlich entwickeln wir uns stetig weiter, sodass es unmöglich ist, alle Gedanken des Anderen zu kennen. In deinem Mann gibt es noch viel zu entdecken! Das Gefühl, ihr hättet euch nichts mehr zu sagen, hat andere Gründe.
Was tun, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat?
Uns wird vermittelt, dass es bedenklich wäre, wenn man sich in einer Beziehung nichts mehr zu sagen hätte. Dabei stimmt das nicht. Deine Beziehung ist nicht tot. Sie ist normal. Jedes Paar kann nach einigen Jahren an diesen Punkt kommen. Es trifft Paare, die erst seit fünf Jahren zusammen sind, genauso wie Paare, deren Kinder gerade aus dem Haus sind. Wären alle Menschen ehrlich, würden sie das auch zugeben.
So lange dir noch auffällt, dass ihr euch gerade nichts zu sagen habt, ist noch alles gut.
Schwierig wird es erst, wenn man Probleme zu lange ignoriert. Dann lebt man nur noch nebeneinander her, statt sein Leben miteinander zu teilen. Macht man dies über Jahre (oder sogar Jahrzehnte!) wird es sehr schwierig, da wieder herauszukommen. So schwierig, dass manche Paare lieber aufgeben.
Doch dir ist das Problem aufgefallen, also kannst du die Ursachen angehen und alles zum Guten wenden.
Gründe dafür, dass man sich nichts mehr zu sagen hat
Ursache 1#: Zu viele Konflikte
Männer reagieren deutlich empfindlicher auf Streit als Frauen. Dr. John Gottman, der bekannt für seine Forschung im Bereich der Ehe ist, hat sogar herausgefunden, dass der Puls eines Mannes bereits in die Höhe schießt, wenn er nur daran denkt, dass seine Frau kritisch reagieren könnte. Das heißt, sie hat ihm noch gar keinen Vorwurf gemacht und sie haben auch nicht gestritten, aber er empfindet bereits körperlichen Stress, weil er erwartet, dass das passieren könnte.
Wenn dein Mann die Erfahrung gemacht hat, dass es eskaliert, sobald er das Falsche sagt, wird er einfach aufhören mit dir zu sprechen. Warum sollte er sich diesen Stress antun? Für dich war der Streit oder deine Reaktion vielleicht halb so wild und schnell vergessen, aber dein Mann erholt sich nicht so schnell wie du.
Männer brauchen 20 Minuten länger, um sich von einem Streit zu erholen als Frauen. In diesen 20 Minuten sind sie so gut wie nicht ansprechbar. Dieses Phänomen hat man laut Gottman sogar schon bei Kleinkindern beobachtet. Es gibt keinen Unterschied bei Mädchen und Jungs, wenn es darum geht, wie oft sie einen Gefühlsausbruch haben, aber wenn es zu einem kommt, erholen Mädchen sich viel schneller.
Und das auch nur vorausgesetzt, dass ihr beide wisst, wie ihr einen Konflikt löst, so dass er danach wirklich gelöst ist. Viele Menschen können das nicht. Sie regulieren ihre Gefühle nicht, sondern lenken sich ab. Anschließend wird das Problem nicht mehr angesprochen, um eine erneute Eskalation zu vermeiden.
Es gibt nichts, was Kommunikation schneller versiegen lässt, als ungelöste Konflikte, die unter der Oberfläche brodeln und sich anhäufen dürfen.
Du möchtest einfach nur über ein Problem reden und dein Mann denkt sofort, dass du wieder streiten möchtest? Dann seid ihr in einer Streitspirale gelandet, in der alles, was du sagst, als Vorwurf aufgenommen wird und jede Reaktion vom ihm als entwertend oder defensiv. Wenn ihr euch Hilfe dabei wünscht, diese Dynamik zu durchbrechen und endlich die Eskalationen zu beenden, dann hilft euch eine Paartherapie. Schreib mir eine Email an hallo@fraginga.de und wir vereinbaren einen Termin zum Erstgespräch.
Ursache 2#: Zu viel Harmonie
Wer hätte das Gedacht, aber zu wenig Konflikte können ebenfalls dazu führen, dass man sich nichts mehr zu sagen hat.
Zu mir in die Paartherapie kommen ganz häufig Paare, bei denen einer eine Affäre hatte und sie verstehen beide nicht, warum dieser Partner das getan hat. Eigentlich war vor der Affäre alles gut. Sie kam aus dem Nichts.
Das sind Paare, denen unterbewusst Harmonie besonders wichtig ist. Sie haben Schwierigkeiten damit, sich abzugrenzen und voneinander zu differenzieren. In so einer Konstellation kann keine echte Intimität entstehen.
Schwierige Gespräche, oder auch einfach Gespräche mit Tiefgang, ergeben sich nicht einfach so. Vielleicht in der anfänglichen Verliebtheitsphase noch, aber in dieser gibt uns der Partner auch extrem viel Sicherheit. Später muss man sich verletzlich machen, wenn man seine ehrlichen Gedanken und Gefühle ansprechen möchte. Dann können Differenzen entstehen und die muss man aushalten.
Ein weiteres Problem: Man muss sein Innerstes kennen, wenn man es teilen möchte. Gerade Menschen, die Schwierigkeiten mit Abgrenzung haben, wissen oft selbst nicht, was sie beschäftigt und warum.
Wenn du das Gefühl hast, dass ihr euch nichts mehr zu sagen habt, ist vielleicht emotionale Intimität euer Problem.
Du entwickelst dich ständig weiter, dein Partner auch. Gespräche am Anfang der Beziehung reichen nicht aus, um emotionale Intimität aufzubauen. Nur wer kontinuierlich Beziehungspflege betreibt, hat die Chance bei der Entwicklung des Partners mitzukommen. Sonst steht ihr eines Tages vor einer vollkommen fremden Version von einander und fragt euch, wie ihr euch auseinander leben konntet.
Wenn du echt emotionale Intimität aufbauen möchtest, musst du bei dir anfangen. Genau dafür habe ich ein Bundle erstellt mit 10 Strategien zum Aufbau emotionaler Intimität. 8 davon wendest du selbst an, 2 davon kannst du mit deinem Partner gemeinsam machen. Alle Informationen zum Bundle findest du hier: Dein Beziehungs-Boost! Entdecke 10 Strategien zum Aufbau emotionaler Intimität

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Ursache 3#: ein negatives oder neutrales Kommunikationsmuster
Es ist dir vielleicht gar nicht bewusst, aber du weist deinen Mann häufiger ab, als du denkst. Was ist, wenn er dir etwas sagt: Drückst du bei deiner Serie auf Pause? Wie oft starrst du aufs Handy, wenn er bei dir ist? Wie reagierst du, wenn er seufzt?
Dann gibt es natürlich noch die Frage, wie oft du proaktiv den Kontakt zu ihm suchst. Nimmst du ihn einfach so in den Arm, oder gibst ihm einen Kuss? Schreibst du ihm manchmal eine nette Nachricht, wenn du unterwegs bist? Und wie reagiert er dann? Positiv, negativ oder neutral? Spoiler: 2 der 3 Reaktionen sind schlecht für eure Beziehung.
Dr. John Gottman (der Ehe-Forscher, du erinnerst dich) hat herausgefunden, dass Paare, die kurz vor einer Trennung stehen, nur sechs Mal am Tag den Kontakt zu einander suchen – oder eher zulassen. Glückliche Paare dagegen etwa 60.
Es geht um kleine, unscheinbare Momente. John Gottman spricht von Kontaktangeboten. Jeder von uns sucht Kontakt. Wir senden den ganzen Tag über kleine Kontaktangebote, manchmal verbale aber oft non-verbale.
Wichtig ist, dass du diese Kontaktversuche erkennst und zulässt. Gottman hat herausgefunden, dass die Paare, die sich scheiden lassen, nur etwa 33% der Kontaktangebote des anderen annehmen. Das heißt: positiv beantworten. Die restlichen Zweidrittel werden negativ oder neutral aufgenommen. Wer glücklich verheiratet ist, nimmt laut Gottman etwa 86% der Kontaktangebote an.
Ein Beispiel: Ihr seht gemeinsam fern und er seufzt laut. Du könntest jetzt das Seufzen ignorieren und weiter fernsehen, denn er hat ja nichts gesagt. Du kannst ihn aber auch fragen, was los ist. Das wäre eine positive Reaktion. So erfährst du vielleicht von einem Problem, das dein Mann schon lange mit sich herumschleppt und von dem er die ganze Zeit nicht wusste, wie er es ansprechen soll.
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Ursache 4#: Zu wenig gemeinsame soziale Kontakte
An den meisten Tagen hat uns der Alltag voll im Griff. Zwischen der Arbeit, dem Haushalt, den Kindern und gefühlt zehntausend Verpflichtungen ist der Partner der erste Punkt auf der Liste, bei dem wir Abstriche machen.
Es ist doch oft so: Zum Kassierer im Supermarkt sind wir netter als zu dem Menschen, den wir vermeintlich am meisten lieben. Das passiert noch nicht einmal bewusst.
Kollegen, Freunde und auch fremde Menschen kriegen die beste Version von uns. Wir sind schön zurecht gemacht, nett, witzig und schlagfertig. Doch kaum sind wir zuhause, wollen wir nur noch abschalten und unsere Batterien aufladen. Der Partner bekommt dann eine wortkarge Jogginghosen-Variante von uns.
Das ist zwar normal, aber dein Partner hat sich in die Frau verliebt, die du heute noch bist, wenn du fremde Leute triffst. Du hast dich auch nicht in den Mann verliebt, der beim Zocken Chips-Krümel auf seiner Brust verteilt.
Du kannst deine und seine beste Version aber provozieren, indem ihr gemeinsame soziale Kontakte pflegt. Dann siehst du deinen Mann schön angezogen, charmant und witzig wie damals, als du dich in ihn verguckt hast. Ihr unterhaltet euch mit euren Freunden und schafft so einen sanften Einstieg zurück in die Gespräche, die du dir unter vier Augen wünschst. Du erfährst vermutlich sogar ein paar Dinge von deinem Mann, die du noch gar nicht wusstest.
Im nächsten Schritt kannst du auch wieder Zeit zu zweit einplanen, aber für den Anfang schau erst einmal, ob Zeit zu viert mit einem befreundeten Paar funktioniert.