Am Anfang eurer Beziehung habt ihr noch nächtelang durchgequatscht. Er wollte alles von dir wissen. Wie deine Kindheit war, welche Musik du gerne hörst, das Essen, das dir schmeckt – alles war spannend. Du hattest das Gefühl den Menschen gefunden zu haben, der dein Innerstes sieht und dem gefällt, was er sieht. Es gab kein Verstecken mehr, du konntest dich endlich so zeigen, wie du wirklich bist.
Nach ein paar Jahren der Beziehung sind solche Gespräche eher die Ausnahme als die Regel. Man kennt die Einstellungen des Anderen, hat von allen besonderen Erlebnissen schon einmal gehört, und wirklich viel passiert im Leben jetzt auch nicht mehr. Zumindest ist das der Irrglaube, dem wir gerne verfallen.
Tatsächlich entwickeln wir uns stetig weiter, sodass es unmöglich ist, alle Gedanken des Anderen zu kennen. In deinem Mann gibt es noch viel zu entdecken! Das Gefühl, ihr hättet euch nichts mehr zu sagen, hat andere Gründe.
Das hilft einem aber natürlich nicht, wenn man im Restaurant sitzt und auf seinen Teller starrt, während die anderen Paare um einen herum sich angeregt unterhalten. Es ist normal, dass du dann Angst bekommst, mit deiner Beziehung könnte etwas nicht stimmen. Uns wurde vermittelt, dass es bedenklich wäre, wenn man sich in einer Beziehung nichts mehr zu sagen hätte. Dabei stimmt das nicht. Ich wiederhole: Es ist nicht bedenklich, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat. Deine Beziehung ist nicht tot. Diene Beziehung ist normal.
Jedes Paar kommt nach einigen Jahren an diesen Punkt. Es trifft Paare, die erst seit fünf Jahren zusammen sind, genauso wie Paare, deren Kinder gerade aus dem Haus sind. Es kann jeden treffen. Wären alle Menschen ehrlich, würden sie das auch zugeben und viele gute Beziehungen könnten gerettet werden.
Aber so läuft es leider nicht. Es wird immer diese eine Frau geben, die in so einem Fall protestiert und sich über dich stellt. Sie erzählt dir dann davon, dass sie und ihr Partner schon viel länger zusammen sind als du und deiner, und dass sie sich immer noch Dinge zu sagen hätten. Ja, herzlichen Glückwunsch, Tina. Deine Beziehung ist die Beste. Wenn du nichts Hilfreiches zu sagen hast, wie wäre es, wenn du gar nichts sagst?
Hör nicht auf solche Leute: So lange dir aufgefallen ist, dass ihr euch gerade nichts zu sagen habt, ist noch alles gut.
Es gibt Beziehungen, die daran zerbrechen, dass die Partner sich nichts mehr zu sagen haben. Das liegt einerseits an falschen Erwartungen an die Beziehung, und andererseits daran, dass das Problem zu lange ignoriert wurde.
Irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem es bequemer ist, sich nicht mit einander zu beschäftigen. Dann lebt man nur noch nebeneinander her, statt sein Leben miteinander zu teilen. Macht man dies über Jahre (oder sogar Jahrzehnte!) wird es sehr schwierig, da wieder herauszukommen. So schwierig, dass manche Paare lieber aufgeben.
Doch dir ist das Problem aufgefallen, also kannst du die Ursachen angehen und alles zum Guten wenden.
Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat: 1# Waffenstillstand
Männer reagieren deutlich empfindlicher auf Kritik und Streit als Frauen. Dr. John Gottman, der bekannt für seine Forschung im Bereich der Ehe ist, hat sogar herausgefunden, dass der Puls eines Mannes bereits in die Höhe schießt, wenn er nur daran denkt, dass seine Frau empfindlich reagieren könnte. Das heißt, sie hat ihn noch gar nicht kritisiert und sie haben auch nicht gestritten, aber er hat bereits Stress, weil er erwartet, dass das passieren könnte.
Männer brauchen außerdem 20 Minuten länger, um sich von diesem Stress zu erholen als Frauen. In diesen 20 Minuten sind sie so gut wie nicht ansprechbar. Man kann versuchen mit ihnen zu sprechen, aber es ist längst nicht so ertragreich wie im entspannten Zustand.
Dieses Phänomen hat man laut Gottman sogar schon bei Kleinkindern beobachtet. Es gibt keinen Unterschied bei Mädchen und Jungs, wenn es darum geht, wie oft sie einen Tobsuchtsanfall haben, aber wenn es zu einem kommt, erholen Mädchen sich viel schneller.
Wenn dein Mann die Erfahrung gemacht hat, dass du jederzeit explodieren könntest, sobald er das Falsche sagt, wird er einfach aufhören mit dir zu sprechen. Warum sollte er sich diesen Stress antun? Für dich war der Streit oder deine Reaktion vielleicht halb so wild, aber dein Mann kann darunter gelitten haben.
Manchmal ist es auch ein ungelöster Konflikt, der die Gespräche versiegen lässt. Er brodelt unter der Oberfläche und weil man nicht möchte, dass er ausbricht, schweigt man sich lieber an. Man versucht auch hier Stress zu vermeiden, indem man das Problem nicht anspricht.
Wenn du dir wünschst, dass du mit deinem Mann mal wieder über Gott und die Welt quatschen kannst, reflektiere erst einmal dein Verhalten – und ändere es, wenn nötig.
Hast du in letzter Zeit häufig überreagiert? Glaubst du, dass dein Mann das Gefühl hat, dich mit Samthandschuhen anfassen zu müssen?
Es geht nicht darum, ob sein Gefühl berechtigt ist. Wenn er glaubt, dass er dich mit Samthandschuhen anfassen muss, ist das alles, was zählt. Es muss nicht stimmen. Sein Gefühl ist das Entscheidende, denn das schaltet die Kommunikation ab.
Egal, was du tust, es endet immer im Streit? Dann schreib mir. Erzähl mir von deiner Situation und ich verrate dir, was ich darüber denke. Schick mir dafür einfach eine Mail an hallo@fraginga.de
deine Inga
Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat: 2# Lade Freunde ein
An den meisten Tagen hat uns der Alltag voll im Griff. Zwischen der Arbeit, dem Haushalt, den Kindern, den Familien und gefühlt zehntausend Verpflichtungen kommt unser Partner oft zu kurz.
Es ist doch oft so: Zum Kassierer im Supermarkt sind wir netter als zu dem Menschen, den wir vermeintlich am meisten lieben.
Das passiert noch nicht einmal bewusst. Wenn ich nach einem langen Tag nach Hause komme, ist von mir einfach nicht mehr so viel übrig, das ich meinem Mann geben könnte.
Kollegen, Freunde und auch fremde Menschen kriegen die beste Version von uns selbst. Wir sind schön zurecht gemacht, nett, witzig und schlagfertig. Doch kaum sind wir zuhause, wollen wir nur noch abschalten und unsere Batterien aufladen. Der Partner bekommt dann eine wortkarge Jogginghosen-Variante von uns.
Mehr erfahren: So bleibst du interessant für deinen Mann – 3 Tricks, die wirklich funktionieren
Das ist zwar normal, aber dein Partner hat sich in die Frau verliebt, die du heute noch bist, wenn du fremde Leute triffst. Du hast dich auch nicht in den Mann verliebt, der auf der Couch beim Zocken Chips-Krümel auf seiner Brust verteilt.
Du kannst deine und seine beste Version aber provozieren, indem du Gäste zu euch nach Hause einlädst. Dann siehst du deinen Mann schön angezogen, charmant und witzig wie damals, als du dich in ihn verguckt hast.
Natürlich ist das nicht dasselbe wie ein tiefgründiges Gespräch unter vier Augen, aber es ist ein Anfang. Ihr werdet euch mit den Gästen unterhalten und schafft so einen sanften Einstieg zurück in die Gespräche, die du dir wünschst. Du erfährst vermutlich sogar ein paar Dinge von deinem Mann, die du noch gar nicht wusstest.
Im nächsten Schritt kannst du auch wieder Zeit zu zweit einplanen, aber für den Anfang schau erst einmal, ob Zeit zu viert mit einem befreundeten Paar funktioniert.
Tipp: Wenn du schon dabei bist, einen Abend zu planen, den ihr nur zu zweit verbringen wollt, plane keinen Restaurantbesuch. Im Restaurant ist der Druck sich zu unterhalten extrem hoch. Das kann euch so verunsichern, dass ihr dann erst recht kein Gespräch ans Laufen kriegt – und dann wärt ihr nur demotiviert. Geht lieber erst einmal ins Kino. Hier sind die Zeiten, in denen ihr euch unterhalten könnt, begrenzt und es ist einfacher sie zu füllen. Dann habt ihr direkt kleine Erfolgserlebnisse und fühlt euch gut dabei. Das ist eine Basis, die zu mehr Gesprächen führen kann.
Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat: 3# Kontaktangebote
Es ist dir vielleicht gar nicht bewusst, aber du weist deinen Mann häufiger ab, als du denkst. Wie oft greifst du direkt zum Handy, wenn du ins Bett kommst? Was ist, wenn er dir etwas sagt: Drückst du bei deiner Serie auf Pause, oder reagierst du nur mit einem „Mhm“?
Dann gibt es natürlich noch die Frage, wie oft du proaktiv den Kontakt zu ihm suchst. Nimmst du ihn einfach so in den Arm, oder gibst ihm einen Kuss? Schreibst du ihm manchmal eine nette Nachricht, wenn du unterwegs bist?
Dr. John Gottman (der Ehe-Forscher, du erinnerst dich) hat herausgefunden, dass Paare, die kurz vor einer Trennung stehen, nur sechs Mal am Tag den Kontakt zu einander suchen – oder eher zulassen. Glückliche Paare dagegen etwa 60.
Es geht um kleine, unscheinbare Momente.
Wichtig ist, dass du diese Kontaktversuche erkennst und zulässt – statt sie unbewusst abzuschmettern.
Ein Beispiel: Ihr seht gemeinsam fern und er seufzt laut. Du könntest jetzt das Seufzen ignorieren und weiter fernsehen, denn er hat ja nichts gesagt. Du kannst ihn aber auch fragen, was los ist. Welche Reaktion deinerseits wird wohl eher zu einem Gespräch führen?
So erfährst du vielleicht von einem Problem, das dein Mann schon lange mit sich herumschleppt und von dem er die ganze Zeit nicht wusste, wie er es ansprechen soll.
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Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat: 4# Sag ihm, was du wirklich denkst
Wenn du das Gefühl hast, dass es nichts mehr gibt, was du deinem Mann sagen könntest, dann wette ich mit dir, dass du dich selbst zensierst.
Ich kenne es von mir. Mich beschäftigt vielleicht schon seit Wochen ein Problem, aber ich spreche es nicht an, weil es „sich nicht ergibt“. Als ich eine Depression hatte, war mein Mann ahnungslos. Er wusste nicht, wie es mir wirklich ging, weil ich sowas nicht offen zeige.
Schwierige Themen, oder auch einfach ungewöhnliche Themen, ergeben sich nicht einfach so. Tatsächlich ergeben sich die meisten Dinge nicht einfach so. Du musst sie zum Gesprächsthema machen.
In Wahrheit ist dieser Grund sowieso nur vorgeschoben. Wir sprechen unsere echten Gefühle nicht an, weil es unangenehm ist. Wir müssten uns verletzlich machen. Wer will das schon?
Wenn du eine glückliche Ehe führen willst, musst du das aber. Das ist das effektivste Mittel, um nicht an den Punkt zu kommen, an dem du glaubst, ihr hättet euch nichts mehr zu sagen.
Geh in dich und erzähle deinem Mann, was wirklich in dir vorgeht. Achte dabei nicht auf seine Reaktion. Es geht darum, dass du deine Gedanken teilen kannst, seine Reaktion ist zweitrangig. Er wird es vielleicht nicht so ausformulieren, aber er wird froh sein, dass du dich ihm öffnest.
Im Übrigen: Alle Gedanken, die so in deinem Kopf herumschwirren, sind viel faszinierender, als du denkst! Selbst wenn du gerade nur über Kleinigkeiten nachdenkst, teile ihm mit, was dich beschäftigt. Unwichtig gibt es in einer Ehe nicht.
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Sag ihm, was dir in den Sinn kommt, wenn ihr die Nachrichten schaut. Schreibe ihm etwas Unerwartetes im Alltag. Wenn du ihm eine Reaktion entlocken willst, sag etwas Provokatives! Einfach um die Diskussion mal wieder in Gang zu bringen.
Wenn du aufhörst, deine Gefühle und Gedanken mit deinem Mann zu teilen, ist es nur der Anfang, dass ihr euch nichts mehr zu sagen habt. Irgendwann wirst du auch das Gefühl haben, dass dein Mann dich gar nicht wirklich kennt. Damit dürftest du dann sogar recht haben. Du hast ihm schließlich keine Chance gegeben dich zu kennen.
Du entwickelst dich ständig weiter. Nur wenn du mit deinem Mann redest, hat er die Chance da mitzukommen. Sonst steht er eines Tages vor einer vollkommen neuen Version von dir und fragt sich, wann das passiert ist.
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