Stell dir vor, du wirst misshandelt und du merkst es gar nicht. Klingt unmöglich, ist es aber leider nicht.
Gewalt fängt nicht erst beim Schlagen oder Beleidigen an. Tatsächlich gibt es eine ganze Bandbreite an emotionalen, sozialen oder ökonomischen Misshandlungen. Das Problem dabei ist, dass psychische Form von Gewalt subtiler ist als körperliche oder sexuelle. Sie bleibt oft Jahre unbemerkt.
Zu Beginn bist du verwirrt über solche Vorfälle. Du fragst dich, ob du etwas falsch verstanden hast oder zu empfindlich bist. Du redest dir ein, es wäre halb so wild oder ein einmaliger Ausrutscher. Oft manipuliert der Täter die Situation auch so, dass solche Gedanken verstärkt werden. Er redet dir ein, du wärst das Problem.
Das passiert nicht über Nacht, aber steter Tropfen höhlt selbst Stahl.
Irgendwann glaubst du deiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr. Du fühlst dich wie eine leere Hülle. Die Folgen sind ein Selbstvertrauen im Minusbereich, Antriebslosigkeit, Depressionen, Schlafstörungen, Magenprobleme, Kopfschmerzen – die Liste ist lang.
Das Schlimmste daran ist jedoch nicht, dass Gewalt in der Beziehung ein schleichender Prozess ist, sie wird auch immer schlimmer. Sie baut sich über Monate und Jahre auf. Je länger sie anhält, desto heftiger wird sie. Manchmal geht emotionale Gewalt dann auch in körperliche über.
Doch wenn psychischer Missbrauch so subtil ist, wie erkennt man ihn dann? Wo fängt Gewalt in der Beziehung an?
Ich habe eine Liste von 21 kleinen und großen Anzeichen zusammengestellt, die dir Hinweise darauf geben, ob dein Partner dich misshandelt (sowohl psychisch als auch physisch). Lies dir diese Anzeichen aufmerksam durch, aber nicht nur für dich, sondern leite diesen Artikel an jede Frau weiter, von der du glaubst, dass sie betroffen sein könnte. Einer der Hauptgründe, warum Frauen in Beziehungen landen, in denen sie misshandelt werden, ist fehlendes Wissen über Gewalt in der Beziehung. Das lässt sich beheben.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 1# Er sabotiert dich
Wenn Gewalt in einer Beziehung anfängt, wird selten etwas Missbräuchliches offen oder direkt gesagt. Stattdessen beginnt es mit psychischen Tricks, die subtil und schwer zu erkennen sind. Deshalb sagt er das Eine, macht aber anschließend etwas Gegensätzliches. Er ermutigt dich zum Beispiel ein neues Hobby anzufangen. „Mach etwas, das nur für dich ist“, sagt er dir. Doch dann beschwert er sich über die nächsten Wochen ständig, dass du nicht mehr genug Zeit für ihn hast, dass die Kinder zu kurz kommen, oder dass das Haus unmöglich aussieht.
Gleichzeitig verweigert er dir seine Unterstützung. Er schwingt nicht selbst den Putzlappen, er steckt auch nicht bei sich zurück, damit du Zeit für dein Hobby hast. Wenn er es doch tut, dann koppelt er das an ganz viele Beschwerden. Er sagt immer wieder, wie anstrengend das doch sei und wie viel ihm das Ganze abverlangen würde. Ziel ist, dass du Schuldgefühle bekommst und deine Zeit wieder mit ihm verbringst.
Sowohl mit Schuldgefühlen als auch mit mangelnder Unterstützung erreicht er irgendwann, dass du dein Hobby aufgibst, aber er trotzdem der Gute bleibt. Derjenige, der dich dazu ermutigt hat „mal etwas nur für dich“ zu machen. Seine Sabotage bleibt im Verborgenen.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 2# Er ist ganz anders zur Außenwelt
Dass Frauen nicht aufgeklärt sind, wenn es um psychische Gewalt in der Beziehung geht, ist nur ein Grund, weshalb sie in solchen Beziehungen landen und bleiben. Ein anderer Grund ist das „Jekyll & Hyde“-Syndrom.
Hierbei hat dein Partner zwei Gesichter. Eins, das er für dich reserviert, und ein ganz anderes, das er der Außenwelt präsentiert. So kann es passieren, dass dir Freunde, Nachbarn und Verwandte immer wieder sagen, was für ein toller Mann er doch sei und wie froh du sein könntest, ihn zu haben, obwohl er dich hinter verschlossenen Türen ohrfeigt.
Jemand, der Gewalt in der Beziehung ausübt, sei sie nun psychisch oder physisch, legt oft großen Wert darauf, dass er nach außen hin gut dasteht. Seine gemeine Seite zeigt er bloß in den eigenen vier Wänden. Zum Rest der Welt kann er charmant, hilfsbereit und witzig sein. Oft sind solche Menschen sogar beliebt. Das ist ihnen auch sehr wichtig. So können sie sich weiter einreden, dass ihre Partner das Problem sind, während sie sich selbst im positiven Licht sehen.
Ein Stück weit dient das auch als Versicherung. Solltest du versuchen, Außenstehenden sein wahres Gesicht zu offenbaren, glauben sie dir vielleicht nicht, wenn sie ihn vorher ganz anders erlebt haben. Sie können sich das dann einfach nicht vorstellen.
Außerdem führt das „Jekyll & Hyde“-Syndrom leider oft dazu, dass du weiter die Schuld bei dir selbst suchst. Wenn er zu allen nett und nur zu dir grausam ist, dann glaubst du, dass es an dir liegen muss. Aber das ist ein Irrglaube.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 3# Er leugnet Tatsachen und banalisiert
Wenn du jemandem vertraust, dann glaubst du dieser Person auch. Das bedeutet, wenn du deinen Partner an etwas erinnerst, was er gesagt hat und er streitet es ab, dann verunsichert dich das. Sein Wort steht gegen deins, aber du vertraust ihm. Also zweifelst du plötzlich an deiner eigenen Sicht der Dinge. Je geringer dein Selbstvertrauen, desto häufiger glaubst du seinem Wort mehr als deinem. Genau dieser Umstand wird bei psychischer Gewalt ausgenutzt.
Dein Partner spielt Dinge, die du ihm vorwirfst herunter und suggeriert dir damit, du würdest überreagieren. Manchmal verdreht er Tatsachen auch, damit etwas so wirkt, als hätte er es gut gemeint. Andere Dinge leugnet er einfach. Dann fallen Sätze wie: „Das habe ich nie gesagt“, „das ist nie passiert“, „das stimmt nicht“ oder auch „Du erinnerst dich falsch“.
Das klingt harmlos und ist es mit Sicherheit auch, wenn es mal vorkommt. Aber wenn das seine Standard-Kommunikation ist, dann versucht er deine Wahrnehmung zu manipulieren. Ziel des Ganzen ist es sicherzustellen, dass du ihn in einem guten Licht siehst und die Schuld bei dir selbst suchst. Es geht dabei um Kontrolle, nichts weiter. Das ist reines Dominanzverhalten – und leider funktioniert es auch noch.
Es fällt uns schwer zu glauben, dass jemand, der uns liebt, uns manipulieren würde. Deshalb zweifeln wir eher an uns selbst. Je mehr du an dir selbst zweifelst, desto mehr glaubst du seiner verdrehten Sicht der Dinge und desto einfacher kann er dich kontrollieren. Die Folge: Dein Selbstvertrauen und damit auch dein Selbstwert sinken in den Keller.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 4# Er „vergisst“, was er nicht abstreiten kann
Vergessen ist eine andere Form der Alltagsgrausamkeit. Genau wie das Verdrehen deiner Wahrnehmung kann dich sein „Vergessen“ an deiner eigenen psychischen Gesundheit zweifeln lassen. Wenn du dich ständig an Dinge erinnerst, die er abstreitet, anders darstellt oder gar nicht mehr weiß, dann fragst du dich irgendwann, ob deine Wahrnehmung stimmen kann. Du fühlst dich, als würdest du verrückt werden.
„Vergessen“ ist eine geschickte Form, die Situation zu manipulieren. Wenn er etwas nicht mehr weiß, dann muss er nicht lügen, um es abzustreiten. Außerdem muss er sich auch nicht an Abmachungen halten, die er nicht mehr weiß.
„Vergessen“ führt aber noch zu einem weiteren gemeinen Effekt auf deine Psyche: Wenn er Dinge „vergisst“, signalisiert er dir damit, dass sie nicht wichtig sind. Deshalb „vergisst“ er vorzugsweise Dinge, die dich betreffen. Damit vermittelt er dir unterbewusst, dass du ihm nicht so wichtig bist.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 5# Er „testet“ dich
Besonders gemein sind „Tests“ emotional missbräuchlicher Menschen. Ein Beispiel: Du erfährst, dass er im Krankenhaus liegt, also willst du sofort losfahren. Er redet es dir am Telefon aus. Er würde operiert werden, dies dauere mehrere Stunden, es würde reichen, wenn er dich danach anruft und du dann zu ihm kommst. Also bleibst du zuhause bei den Kindern. Abends kommst du ins Krankenhaus und er ist wütend, weil du nicht direkt gekommen bist. Das legt er dir als Beweis deiner mangelnden Liebe aus. Du protestierst, schließlich war er doch derjenige, der dich bat nicht zu kommen. Ja, aber wenn du ihn wirklich lieben würdest, wärst du nie darauf eingegangen, entgegnet er.
Es gibt Tausende solcher Situationen. Du hast keine Chance. Wenn Gewalt in einer Beziehung anfängt oder vorherrscht, kannst du nur verlieren, weil er gar nicht will, dass du diese „Tests“ bestehst.
Wenn er einen vermeintlichen Beweis gefunden hat, dass er dir nicht wichtig genug ist, dann kann er dich damit unter Druck setzen. Du gibst dir dann mehr Mühe und versuchst seine Gedanken und Wünsche vorherzusagen. So willst du vermeiden, dass er sich nicht genug geliebt fühlt. Darum ging es ihm aber nie wirklich, er nutzt diese Tests nur, um damit dein Verhalten zu kontrollieren.
Wenn du schon machst, was er will, ohne dass er es dir sagen muss, ist das der Jackpot für ihn. Denn das, was er sagt, ist nicht schön. Also ist er froh, wenn er es nicht laut aussprechen muss.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 6# Er zerstört Gegenstände
Vielleicht glaubst du, dass körperliche Gewalt erst dann beginnt, wenn er deinen Körper verletzt, aber das stimmt nicht. Tatsächlich zählt bereits das Zerstören von Gegenständen zu physischer Gewalt. Und mach dir nichts vor: Dabei geht es hauptsächlich darum, dir wehzutun.
Deshalb zerstört er vorzugsweise Dinge, die einen sentimentalen Wert für dich haben, wie zum Beispiel ein gerahmtes Hochzeitsfoto oder ein Erbstück. Wenn ihr finanzielle Probleme habt, zerstört er vielleicht auch die wenigen teuren Dinge, die ihr besitzt.
Beim Zerstören von Gegenständen geht es aber auch darum, dir Angst einzujagen. Er demonstriert dir seine Gewaltbereitschaft, wenn er etwas zerstört. Oft werden deshalb auch Waffen wie Messer eingesetzt. Wenn es ein Alarmsignal gibt, das du auf gar keinen Fall ignorieren solltest, dann ist es das Zerstören von Gegenständen. Es ist nicht harmlos und auch kein Ausrutscher. Warte nicht erst, bis er mit einem Messer das Sofa direkt neben der Stelle aufschlitzt, auf der du sitzt.
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Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 7# Du achtest penibel auf dein eigenes Verhalten
Weil Gewalt in der Beziehung oft psychisch beginnt, ist es manchmal einfacher, wenn du dein eigenes Verhalten beobachtest und nicht seins. Emotionale Misshandlungen sind subtil und schwer zu erkennen, aber die Auswirkungen davon kannst du bei dir selbst recht schnell erkennen.
Fasst du deinen Partner mit Samthandschuhen an? Versuchst du bewusst, dich so zu verhalten, dass du ihn nicht verärgerst? Zitterst du, wenn du Geld ausgegeben hast, ohne das mit ihm abzusprechen? Strengst du dich richtig an, um die richtigen Worte zu finden, wenn du mit ihm sprichst? Machst du Dinge inzwischen nur noch, wenn er auch „Ja“ dazu gesagt hat?
Das sind alles kleine Anzeichen dafür, dass du sein psychisch missbräuchliches Verhalten verinnerlicht hast. Jetzt muss er es gar nicht mehr offen anwenden, damit du tust, was er will.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 8# Deine Gefühle sind immer dein Problem
Ein anderes Anzeichen, für das du ihn nicht brauchst, sind deine eigenen Gefühle. Wie hat er in der Vergangenheit reagiert, wenn du ihm mitgeteilt hast, dass du verletzt bist? Wenn in eurer Beziehung Gewalt herrscht, brauchst du kein Mitgefühl zu erwarten. Stattdessen ignoriert er dich, er weist dich ab, er interessiert sich nicht, oder er versucht dir deine Gefühle auszureden. Dann heißt es wieder, du seist empfindlich oder würdest überreagieren. Ein anderer Klassiker: „Es tut mir leid, dass du dich angegriffen fühlst“. Damit schiebt er ganz subtil die Schuld von sich und deutet indirekt an, dass du so fühlst, obwohl es keinen Anlass dazu gibt. Vielleicht wird er sogar wütend, dass du ihn überhaupt mit deinen Gefühlen konfrontierst.
Ein Partner, der dich liebt, will dich nicht verletzen. Wenn er sieht, dass du es doch bist, hört er dir zu und versucht den Schaden, den er angerichtet hat, zu reparieren. Tut dein Mann das nicht, hast du einen weiteren Hinweis, dass etwas nicht stimmt.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 9# Er ist nie schuld
Es gibt Menschen, denen fällt es extrem schwer sich zu entschuldigen. Sie zeigen aber trotzdem durch ihr Verhalten Reue. Dann gibt es andere Menschen, denen tut wirklich niemals etwas leid, weil sie niemals schuld an etwas sind – ihrer Meinung nach.
Stattdessen glaubt dein Mann, dass DU an allem schuld bist. Du hättest ihn provoziert („Schau mal, wozu du mich gebracht hast“). Du müsstest nur dein Verhalten ändern, dann hättet ihr keine Probleme mehr. Im Extremfall sagt er dir sogar, dass du schuld bist, dass er dich schlägt. Glaub ihm das bloß nicht. Gewalt in Beziehungen entsteht nicht aus einer konkreten Situation heraus. Es geht um Machtverhältnisse. Er will sich mächtig fühlen und erreicht dies, indem er dich erniedrigt. Es geht nie wirklich um etwas, das du getan hast.
Wenn du aufhörst, dir die Schuld für alles, was bei euch schiefläuft, geben zu lassen, wird er andere Dinge vorschieben. Dann ist plötzlich Stress im Job an seinem Verhalten schuld, oder seine traumatische Kindheit, manchmal auch der Alkohol – ihm wird alles einfallen, außer die Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen. Es bleibt dabei: Er sieht sich nie in der Schuld.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 10# Er spielt mit deinen Ängsten
Ein Partner, der das Beste für dich will, wird nicht mit deinen Verlustängsten spielen, wenn er weiß, dass du welche hast. Warum sollte ein liebevoller Partner wollen, dass du unsicher bist und Angst hast? Liebe hört auf, wenn es wehtut. Wenn Gewalt in einer Beziehung beginnt, ist das Spiel mit Nähe und Distanz dagegen ein beliebtes Mittel.
Er distanziert sich von dir, wird wortkarg und abweisend. Wenn du dann verunsichert reagierst, verunsichert er dich noch weiter, in dem er dir vorwirft zu anhänglich zu sein. Auch das ist eine Machtdemonstration. Er droht unterschwellig damit, dir seine Liebe zu entziehen. Er will sich und dir dadurch beweisen, dass du ihn mehr brauchst als er dich. Aber lass dich auch hier nicht täuschen: Er braucht dich. Solltest du jemals mit einer Trennung drohen, würde ihm der Arsch auf Grundeis gehen. Dann würde er plötzlich Reue zeigen und versprechen sich zu ändern. Alles, nur damit du bleibst.
Aber versteh mich nicht falsch: Er braucht dich, weil er sich mächtig fühlt, wenn er dich misshandelt. Es geht ihm nicht um echte Liebe. Seine Reue und seine Versprechen wären leer, aber das ist ein anderes Thema.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 11# Er kritisiert dich versteckt
Ich sage es immer wieder: Kritik ist etwas Gutes. Es muss möglich sein, dass du deinem Partner offen sagen kannst, wenn dich etwas stört. Problematisch wird es allerdings, wenn Kritik überhandnimmt und du plötzlich Dinge kritisierst, die dich nicht betreffen. Ob dein Partner eine Banane von oben oder von unten schält, ist seine Sache. Erst wenn er dir die Schale an den Kopf wirft, ist es auch deine Sache. Im letzteren Fall ist es okay zu kritisieren. Es ist sogar notwendig.
Wenn dein Mann also ständig Dinge kritisiert, die ihn eigentlich nichts angehen, dann ist das ein Problem. Weil er das weiß, tut er es versteckt. Je unterschwelliger die Kritik, desto besser, weil er versteckte Kritik immer abstreiten kann.
Wenn er sich also darüber beschwert, dass die Kinder plärren, oder die Wäsche schlampig aussieht, oder sogar, dass deine Arbeit viel zu weit weg ist, werde hellhörig. Das ist versteckte und unberechtigte Kritik, die nur einen Zweck hat: Dich zu verunsichern, damit du noch mehr versuchst, es ihm rechtzumachen. So bekommt er mehr Macht über dich. Mit konstruktiver Kritik hat das Ganze nichts zu tun.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 12# Er wirft dir Dinge vor, die nur er macht
Warum wirft man jemandem etwas vor, dass man selbst macht? Zum einen schließen viele Menschen von sich auf andere. Das bedeutet, sie überlegen sich, was sie tun würden und gehen deshalb davon aus, dass du das auch tust. Zum anderen ist das ein effektives Mittel, um Vorwürfen vorzubeugen. Wenn er dich zuerst als kontrollsüchtig bezeichnet, wäre es weniger glaubwürdig, wenn du ihm daraufhin diesen Vorwurf machst.
Vertrau deinem eigenen Urteilsvermögen. Wenn er dir etwas vorwirft, das sich so gar nicht nach dir anhört, machst du es vermutlich auch nicht. Wenn du nicht glaubst, dass du kontrollierend bist, bist du es wahrscheinlich nicht. Viel wahrscheinlicher ist, dass er sein eigenes Verhalten auf dich projiziert. Du wärst erstaunt, wie oft Männer ihren Frauen sogar Untreue vorwerfen, obwohl sie selbst fremdgehen.
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Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 13# Er tarnt Kränkungen als Witze
Woran erkennst du, ob dein Partner wirklich „nur Spaß“ macht, oder ob er dich eigentlich gekränkt hat? Wie gesagt: Liebe hört auf, wenn es wehtut. Wenn du deinem Partner wiederholt sagst, dass seine Kommentare dich verletzen und du sie nicht lustig findest, wird ein liebevoller Partner aufhören.
Gibt er stattdessen konstant weiter kleine, abschätzige Bemerkungen ab, ist es eben kein Spaß mehr. Besonders eindeutig ist es, wenn er sich gemeinsam mit anderen Menschen über dich lustig macht. Unter Kindern nennt man sowas Mobbing.
Ebenfalls beliebt bei emotionaler Gewalt: Er zieht eure Kinder mit rein. Wenn Papa ständig den Kindern erzählt, dass Mama schon wieder nichts hinbekommt, oder mal wieder übertreibt, oder was auch immer, dann ist das ein gewaltiges, blinkendes Warnsignal. Hier wurde eine Grenze überschritten. Achte also genau darauf, was deine Kinder über dich sagen und woher das kommt.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 14# Er wertet deine Stärken ab
Auch wie dein Mann auf deine Errungenschaften oder Stärken reagiert, kann viel darüber aussagen, ob es Gewalt in eurer Beziehung gibt. Gewalt fängt dort an, wo es um Macht und Kontrolle geht. Ein Partner, der dich kontrollieren möchte, will dich so schwach wie möglich sehen. Um das zu erreichen, spielt er deine Stärken herunter.
Wenn du ihn mit einem Date überraschst, gibt er sich zum Beispiel die ganze Zeit betont gelangweilt. Wenn ihr den Urlaub plant, schlägt er deine Ideen als blöd aus. Wenn du gekocht hast, schmeckt ihm das Essen nicht. Das klingt alles harmlos, aber wenn so etwas oft passiert, geht es vielleicht nur darum, den Eindruck zu erwecken, dass du mal wieder etwas nicht hingekriegt hast.
Mit der Zeit verlierst du dadurch das Vertrauen in deine eigenen Stärken. Irgendwann weißt du gar nicht mehr, was für Stärken du überhaupt hast. Das kann er dir dann ebenfalls vorwerfen und sich als „besser“ über dich erheben.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 16# Er erniedrigt dich
Erniedrigungen passieren leider so ziemlich in jeder Ehe. In der Regel unabsichtlich. Du erzählst Bekannten eine Geschichte, die deinem Mann aber peinlich ist. Jetzt fühlt er sich erniedrigt, während du dachtest, die Story wäre harmlos. Solche kleinen Erniedrigungen kommen vor. Wenn er dagegen ein freizügiges Foto von dir postet, weil ihr euch gestritten habt, ist das eine große Erniedrigung, die mit voller Absicht geschehen ist. Genauso, wenn er wütend einen Granatapfel auf den Fliesen zerschmettert und dich zwingt seinen Dreck sauberzumachen.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 17# Er droht dir
Drohungen gehen oft mit Erniedrigungen Hand in Hand. Bleiben wir beim Granatapfel-Beispiel. Wenn du nicht aufspringst, um den Dreck wegzumachen, sondern hier eine Grenze ziehst und dich weigerst, ist die nächste Stufe oft eine Drohung. Die kann ziemlich plump sein. Dann sagt er dir zum Beispiel, du sollst den Dreck wegmachen, sonst würde er sich scheiden lassen.
Bei psychischer Gewalt in einer Beziehung dreht sich alles um Kontrolle. Wenn du eine Grenze ziehst und nicht das tust, was er will, läuft er Gefahr die Kontrolle über dich zu verlieren. Darauf reagieren Menschen, die sich toxisch verhalten, ganz empfindlich. Also tun sie alles, um die Kontrolle zu halten. Drohungen sind dafür oft ein probates Mittel, weil sie hier erneut mit deiner Verlustangst spielen können. Dein Mein weiß, dass du ihn liebst und nicht willst, dass ihr euch trennt. Das nutzt er aus.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 18# Er isoliert dich
Isolation ist etwas, dass sich mit der Zeit in die Beziehung einschleicht. Oft fängt es subtil an. Er verlangt, dass du viel Zeit mit ihm verbringst. Alles unter dem Deckmantel, dass er einfach am liebsten Zeit mit dir alleine verbringt. Dann beschwert er sich über die Aktivitäten, die dich von Zuhause fernhalten. Selbst wenn es nur die Krabbelgruppe der Kinder ist. Vielleicht stört ihn sogar deine Arbeit und er will lieber, dass du deine Stunden reduzierst, in sein Unternehmen wechselst, oder ganz zuhause bleibst.
Wenn er deine Freunde oder deine Familie nicht für sich gewinnen kann, wird er versuchen dich auch von ihnen zu isolieren. Auch das passiert zu Beginn unauffällig. Er beschwert sich oft über sie. Er redet sie vor dir schlecht, oder er benimmt sich daneben, wenn sie euch besuchen. So sorgt er dafür, dass deine Lieben sich bei euch unwohl fühlen und nicht mehr so gerne vorbeikommen. Der Hintergrund ist einfach: Jeder, der dir sagen könnte, dass sein Verhalten dir gegenüber problematisch ist, ist für ihn ein Problem. Also begrüßt er es, wenn du dich von diesen Menschen entfernst.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 19# Er beleidigt dich
Wenn dein Mann dir Beleidigungen an den Kopf wirft, geht er zu weit. Dabei rede ich nicht darüber, dass ihr euch Zicke oder Arsch nennt, wenn ihr euch gegenseitig neckt. Das finden manche Paare unmöglich und andere normal. Ich spreche darüber, dass dein Mann dir Ausdrücke an den Kopf knallt, die man im Fernsehen zensieren müsste. Gerne auch in Kombination mit geringschätzigen Adjektiven wie „faul“, „fett“ oder „dumm“. Hier sprechen wir auch gar nicht mehr darüber, wo Gewalt in der Beziehung anfängt. Wenn dein Mann dich derartig beleidigt, habt ihr diesen Punkt schon lange hinter euch gelassen.
Vielleicht erscheint es dir gar nicht so dramatisch, aber Beleidigungen zielen darauf ab, dich abzuwerten und das schaffen sie auch. Wenn du lange genug schlimme Dinge über dich hörst, glaubst du sie irgendwann. Dann fühlst du dich wertlos und auch hilflos, weil es immer wieder passiert.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 20# Er schreit dich an
Anschreien und Beleidigen geht oft Hand in Hand. Beides soll in dir das Gefühl auslösen, du seist ganz klein und unbedeutend. Das macht es einfacher dich zu kontrollieren und gibt ihm ein Gefühl von Macht. Zudem sollst du durch Anschreien eingeschüchtert werden. Wer mit Argumenten nicht weiterkommt, wird lauter. Eine Begleiterscheinung des Schreiens ist oft auch das Werfen von Gegenständen.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 21# Er verlangt Respekt, gibt aber keinen
Jemand, der dich manipuliert, kontrolliert, beleidigt, anschreit und/oder erniedrigt, hat eigentlich längst bewiesen, dass er kein Verständnis von Respekt hat. Ironischerweise ist solchen Männern Respekt extrem wichtig, allerdings nur in ihre Richtung. Deshalb wird keine noch so kleine Tat deinerseits ungestraft gelassen. Selbst wenn es wirklich bloß eine Kleinigkeit war, die zudem unabsichtlich geschehen ist. Dabei kann seine Stimmung in Sekundenschnelle kippen und aus einem fröhlichen Mann wird ein vor Wut schäumender. Kurzum: Er kann sich alles herausnehmen, aber du gar nichts.
Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 22# Er wird übergriffig
Wenn wir davon reden, wo Gewalt in der Beziehung anfängt, ist es bei körperlichen Übergriffen längst gelaufen. Häusliche Gewalt baut sich in der Regel im Laufe der Beziehung auf. Es fängt mit subtilen emotionalen oder sozialen Übergriffen an, lange bevor jemals das erste Schubsen oder die erste Ohrfeige geschieht. Meistens wartet der Täter sogar, bis das Opfer vermeintlich nicht mehr „weg kann“. Deshalb fangen körperliche Übergriffe oft erst nach der Hochzeit oder nach dem ersten Kind an.
Im Übrigen beschränkt sich körperliche Gewalt nicht aufs Schlagen oder Treten. Spucken, mit Gegenständen bewerfen, aber auch Ein- oder Aussperren sind ebenfalls Formen körperlicher Gewalt.
Was du tun kannst bei Gewalt in der Beziehung
Eine Sache muss dir klar sein: Wenn in eurer Beziehung Gewalt einmal angefangen hat, wird sie nicht von alleine aufhören. Im Gegenteil, du kannst dich darauf einstellen, dass sie über die Jahre schlimmer wird. Manchmal kommen auch weitere Formen der Gewalt dazu. Es beginnt z.B. psychisch und wird dann körperlich.
Eine weitere Sache, die dir klar sein muss: Das kann jeden treffen. Du hast keine schuld daran. Es hat nichts mit deinem Wohlstand, IQ, oder deiner Kindheit zu tun. Gewalt in der Beziehung trifft auch starke Frauen (und ja, du bist stark. Wie sonst hättest du so lange ausgehalten, was in deiner Beziehung los ist?).
Niemand geht eine Beziehung mit der Absicht ein, dass sie gewaltsam verläuft. Selbst die Täter nicht. Wir lassen uns einfach auf eine Beziehung ein und fast unbemerkt schleichen sich ungesunde Verhaltensweisen ein. Irgendwann haben sie plötzlich die Überhand, aber du steckst schon zu tief drin. Jetzt liebst du ihn, bist vielleicht verheiratet, vielleicht habt ihr auch Kinder, oder ein gemeinsames Haus. Ganz zu schweigen von vielen Jahren oder Jahrzehnten, die euch verbinden. Aus deinem Umfeld kommt dennoch Unverständnis: „Warum trennst du dich nicht einfach?“. Weil es eben nicht einfach ist, Karen.
Ganz abgesehen davon kann es auch gefährlich sein, sich „einfach zu trennen“. Männer, die ihre Frauen misshandeln, wollen Kontrolle und Macht, nimmt man sie ihnen, werden sie oft noch gewalttätiger. Laut Bundeskriminalamt wird in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet. Die versuchten Morde sind in dieser Statistik noch gar nicht eingerechnet.
Das heißt nicht, dass du dich nicht trennen solltest. Oft ist das leider die einzige Methode, um dich und deine Kinder vor einem gewalttätigen Mann zu schützen. Dann solltest du allerdings einen Plan machen, wie du dich vor Übergriffen schützen kannst, während die Trennung läuft. Zögere nicht, dir dabei Hilfe zu holen. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist genau für solche Zwecke rund um die Uhr unter 08000 116 016 erreichbar. Wer lieber eine Beratungsstelle in der Nähe sucht, findet sie hier.
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Wenn du dich aber gar nicht trennen willst, musst du dich dafür auch nicht fertig machen. Du hast die Verantwortung, dich und deine Kinder zu schützen. Das muss aber nicht unbedingt durch eine Scheidung geschehen. Eine räumliche Trennung lässt sich oft nicht vermeiden, gerade bei körperlicher Gewalt ist sie sogar extrem wichtig, aber parallel könnt ihr an eurer Ehe arbeiten. Unmöglich ist das nicht.
Wichtig ist jedoch, dass du nicht einfach zur Paartherapie gehst, wie es viele Paare in der Krise tun. Bei Gewalt in der Beziehung ist eine individuelle Therapie wichtig. Dein Mann ist clever. Er hat dich lange um den Finger gewickelt und es geschafft, dass du die Gewalt in eurer Beziehung nicht erkannt hast. Er hat vielleicht sogar euer ganzes Umfeld getäuscht. Dir ist nicht damit geholfen, wenn er auch noch euren Paartherapeut um den Finger wickelt. Geh stattdessen alleine zur Therapie.
Kümmere dich um dich und lass dir von jemandem helfen, der sich nur damit beschäftigt, wie man dich wiederaufbaut. Du hast so viel durchgemacht, du hast es dir verdient. Auch deine Kinder haben es verdient, dass du deinen Selbstwert steigerst und die Folgen von psychischer oder physischer Misshandlung verarbeitest. Aus dieser neuen gestärkten Position kannst du auch viel besser einschätzen, was in eurer Beziehung wirklich passiert ist und ob es Hoffnung für euch gibt. Im Idealfall macht dein Mann dasselbe und arbeitet auch parallel an sich.
Falls dir die räumliche Trennung auf Zeit Sorgen macht: Was sind ein paar Monate, wenn du planst dein ganzes Leben mit einem Menschen zu verbringen? Richtig, gar nichts. Wenn eine räumliche Trennung das ist, was euch den Raum zur Veränderung und zum persönlichen Wachstum schenkt, dann solltest du das nutzen.
Im Übrigen solltest du in jedem Fall an dir selbst arbeiten, auch wenn du dich direkt scheiden lassen möchtest. Wenn du dich einfach trennst und nicht an dir arbeitest, kann es sonst passieren, dass du mit deinem nächsten Partner dasselbe erlebst. Wir schleppen unsere Probleme wie einen Koffer mit uns rum. Pack ihn aus und schmeiß den unnötigen Ballast raus, bevor du in die nächste Beziehung gehst.