Die wichtigste Regel in der Kindererziehung ist: Negatives Verhalten wird nicht mit Aufmerksamkeit belohnt. Ich beziehe diese Regel auf den Umgang mit allen Menschen.
Es gibt jedoch Situationen, in denen das nicht so einfach ist.
Die erste Situation ist, wenn dein Partner sich einen so großen Fehltritt erlaubt hat, dass du gar nicht weißt, ob du ihm verzeihen kannst. Die Zweite, wenn er eine eigentlich weniger schlimme Sache getan hat, aber dafür zum wiederholten Mal – obwohl er versprochen hatte, sich zu bessern.
Wenn dir jemand einmal über den Fuß gefahren ist, kannst du das vielleicht noch als Versehen abstempeln. Wenn dir aber jemand zum hundertsten Mal über den Fuß fährt, sieht die Sache schon anders aus.
Hier findet sich nun das Problem.
Bezieht man den Grundsatz negatives Verhalten nicht mit Aufmerksamkeit zu belohnen auf eine Beziehung, bedeutet das: Vergeben und Vergessen.
Wenn ich etwas vergebe und dann vergesse, habe ich es nicht mit Aufmerksamkeit belohnt.
Viele Menschen würden das bejubeln. Sie würden sagen, das sei genau richtig. In einer Beziehung müsse man immer vergeben und vergessen, wie sonst sollte eine Ehe ein Leben lang halten?
Ich sehe das anders. Vergeben und Vergessen ist überbewertet.
Verzeihen wird in unserer christlich geprägten Gesellschaft als große Tugend gesehen. Wer dies nicht tut, sei nachtragend und somit moralisch unterlegen.
Dabei ist es gar nicht immer sinnvoll zu verzeihen – auch dem eigenen Partner nicht (und dafür gibt es gute Gründe).
Verzeihen in einer Beziehung – wann ist es sinnvoll?
Der Forscher James McNulty hat über einen Zeitraum von vier Jahren eine Studie mit frisch verheirateten Paaren durchgeführt. Er veröffentlichte die Studie unter dem Titel „Die dunkle Seite des Vergebens“.
McNulty hat herausgefunden, dass Paare, die sich gegenseitig schnell verziehen haben, zufriedener in ihrer Ehe waren. Es führte kurzfristig zu weniger negativem Verhalten der Partner.
Aber langfristig sah die Sache anders aus.
Langfristig konnten die Partner, die in ihrer Ehe eben nicht direkt verziehen, feststellen, dass das negative Verhalten ihrer Partner abnahm.
Das bedeutet: Wer möchte, dass sein Partner sein Verhalten wirklich ändert, muss ihn dafür zur Verantwortung ziehen und nicht einfach Vergeben und Vergessen.
Dann sollte man negatives Verhalten also ausnahmsweise doch mit Aufmerksamkeit belohnen.
Lieben heißt verzeihen? Nein, tut es nicht.
McNulty hat sich jedoch nicht nur angesehen, was es kurz- oder langfristig mit einer Ehe gemacht hat, wenn man dem Partner verziehen hat.
Er hat sich außerdem angesehen, welche mildernden oder verstärkenden Einflüsse es in der Beziehung gab.
Das ist der entscheidende Unterschied, den McNulty in seiner Studie gemacht hat.
In unserer Gesellschaft wird Verzeihen so verherrlicht, dass ein regelrechter Druck auf uns lastet, immer verzeihen zu müssen. Egal, was die Umstände sind. Es gibt sogar zahlreiche Sprüche dazu, wie zum Beispiel „lieben heißt verzeihen“.
McNulty hat jedoch untersucht, ob das negative Verhalten, das verziehen werden sollte, häufig auftrat oder selten.
In Ehen, in denen negatives Verhalten oft passierte, war es regelrecht schädlich zu verzeihen.
Wann man seinem Partner verzeihen sollte
Der springende Punkt ist also, ob der Partner diesen Fehler andauernd macht oder nicht.
Hat dein Mann etwas zum ersten Mal getan, kannst du davon ausgehen, dass eure Beziehung am meisten davon profitiert, wenn du ihm verzeihst.
Hier greift das Prinzip der Gegenseitigkeit. Das besagt, dass wir in einer Beziehung dem anderen das geben möchten, was wir selbst bekommen haben.
Tut dein Mann etwas Nettes für dich, möchtest du ihm auch eine Freude machen. Tut er nichts, findest du es nur fair, wenn du auch nichts für ihn machst.
Dieses Prinzip kann einer Ehe durchaus gefährlich werden, aber in diesem Fall kannst du es für dich nutzen.
Wenn du deinem Partner verzeihst, hast du etwas für ihn getan. Jetzt hat er unterbewusst das Bedürfnis diesen „Gefallen“ zu erwidern.
Es motiviert ihn sein Verhalten zu bessern, wenn auch nur kurzfristig. Für einen einmaligen Fehler ist das jedoch vollkommen ausreichend.
Ist dein Partner dagegen ein Serientäter, ist es nicht sinnvoll das Verhalten zu verzeihen.
Versteh mich jedoch nicht falsch: Das heißt nicht, dass du ihn verlassen solltest, weil er sich nie ändern wird.
Das heißt nur, dass du es hinauszögern solltest ihm zu verzeihen – bis er es sich verdient hat.
Solltest du ihm verzeihen, wenn er es immer wieder tut?
Macht dein Partner einen Fehler immer wieder, ist das der größte Beweis dafür, dass Verzeihen nichts bringt (zumindest in so einem Fall nicht).
Du hast ihm immer wieder verziehen und das hat nur dazu geführt, dass er es wieder getan hat.
Hier greift das Prinzip der Operanten Konditionierung.
Was heißt das?
Wenn wir ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, zeigt uns unsere Umwelt, ob dieses Verhalten in Ordnung ist oder nicht. So lernen wir, es in Zukunft sein zu lassen, oder immer wieder so zu machen.
Dein Mann hat offensichtlich gelernt, dass sein Verhalten toleriert wird.
In dem Moment, in dem du ihm verziehen hast, hatte sein Verhalten keine negativen Konsequenzen für ihn.
Das musst du jetzt ändern.
Es wird also erst einmal nicht verziehen.
Stattdessen solltest du dir Konsequenzen überlegen, die der Tat entsprechen. Tatsächlich funktioniert das ganz ähnlich, wie Kindern Grenzen zu setzen.
Es darf ruhig ein bisschen wehtun. Ihm darf etwas fehlen und er darf auch ruhig dafür arbeiten müssen, sich deine Gunst wieder zu verdienen.
Leg allerdings genau fest, was du von ihm erwartest und wann du es erwartest.
Nur so kannst du überprüfen, ob sich sein Verhalten wirklich gebessert hat und du läufst auch nicht Gefahr, es ihm für immer vorzuhalten. Das wäre nämlich auch schädlich.
Überlegst du gerade, ob du deinem Mann verzeihen sollst, oder habt ihr ein wiederkehrendes Problem? Dann schreib mir! Ich freue mich deine Geschichte zu hören und helfe gerne.
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