Ich habe vor ca. 2 Monaten jemanden kennengelernt und anfangs war er noch total lieb und aufmerksam. Seit kurzer Zeit redet er abfällig mit mir und ignoriert meine Grenzen, wenn ich zu irgendetwas Nein sage. Zudem wird er mir gegenüber immer grober und ich habe auch schon mehrere blaue Flecken von ihm. Ich habe Angst, dass es mit der Zeit noch schlimmer wird und ich jetzt besser einen Schlussstrich ziehen sollte.
Es kann sein, dass es schlimmer wird und du besser einen Schlussstrich ziehen solltest. Es kann aber auch sein, dass du dich von deinen Ängsten dazu verleiten lässt, zu übertreiben. Aber selbst wenn du übertreibst, bedeutet das dann, dass du sein Verhalten akzeptieren musst? Respektlos findest du es schließlich in jedem Fall. Was machst du jetzt also?
Die Frage, die du dir eigentlich stellen musst, ist: Warum ignoriert mein Partner meine Grenzen?
Das ändert zwar erst einmal nichts am Ergebnis, blaue Flecken hast du ja trotzdem, aber es zeigt dir auf, ob du dir Sorgen machen solltest. Es kann mehrere Gründe dafür geben, warum er sich schwer damit tut, deine Grenzen zu respektieren. Es muss nicht bedeuten, dass er ein gewalttätiger Mensch ist.
Vielleicht musst du auch etwas an deinem Verhalten ändern, denn deine bisherige Art Grenzen zu setzen, scheint nicht zu funktionieren. Also hilft vielleicht schon bewusstes anders reagieren.
Warum ignoriert mein Partner meine Grenzen?
Dass er deine Grenzen nicht respektiert, ist nie in Ordnung. Jetzt könnte man auch einfach sagen, dass du dich trennen sollst. Er ist respektlos, er ist grob und verpasst dir blaue Flecken. Jag ihn zum Teufel. Problem gelöst. Du ahnst es bestimmt schon: So einfach ist es nicht.
Der Grund, warum das nicht funktionieren wird, bist du.
Zum Einen möchtest du dich gar nicht trennen. Sonst hättest du das bereits getan. Wahrscheinlich gibt es auch viele gute Seiten an ihm und ihr habt bestimmt auch schöne Zeiten miteinander. Du willst also eigentlich an der Beziehung festhalten. Solange du an der Beziehung festhalten willst, ist das auch die richtige Entscheidung für dich. Du kennst dich selbst am besten und du weißt, was du brauchst. Für den Moment scheint das dieser Partner zu sein.
Zum Anderen trägst du eine Teilschuld an eurer Situation. Dein Partner kann deine Grenzen nur dann ignorieren, wenn du es zulässt. Das machst du mit Sicherheit ungewollt, keine Frage. Aber sehr wahrscheinlich lässt du es zu, dass er deine Grenzen ignoriert, in dem du keine klaren Grenzen setzt. Du willst Grenzen setzen, aber du schaffst es nicht.
Wir werden etwas später im Text noch darauf eingehen, warum das so ist, wie sich das zeigt und wie du das ändern kannst. Für den Moment musst du lediglich wissen, dass du dieselben Probleme in deiner nächsten Beziehung wieder bekommen würdest, wenn du dich jetzt trennen würdest. Du musst erst lernen, wie man erfolgreich Grenzen setzt. Menschen, die keine Grenzen setzen können, ziehen unterbewusst Menschen an, die Grenzen überschreiten. Vielleicht ist dein Partner jetzt also genau der richtige Mensch, um zu lernen, wie man gesunde Grenzen setzt.
Kommen wir zurück zu deinem Partner und seinem Anteil am Problem. Schauen wir uns einige Optionen an, die dazu führen können, dass er deine Grenzen überschreitet.
Du hast auch ein Beziehungsproblem, das dich nachts nicht schlafen lässt? Dann schreib mir. Ich höre mir dein Problem gerne an und sage dir, was ich darüber denke. Schreibe dafür einfach eine Mail an hallo@fraginga.de
Mein Partner ignoriert meine Grenzen, weil er unreif ist
Du schreibst: “Zudem wird er mir gegenüber immer grober und ich habe auch schon mehrere blaue Flecken von ihm”. Hier fehlen jetzt ein paar kritische Informationen dazu, inwiefern er grob mit dir umgeht und wie diese blauen Flecken entstanden sind. Passiert das beim Sex? Rauft er spielerisch mit dir? Wird er handgreiflich, wenn er wütend wird? Lass uns für den Moment vom harmlosesten Fall ausgehen und uns später die kritischeren ansehen.
Im harmlosesten Fall ist dein Partner emotional unreif. Ich zeichne jetzt mal das Bild von einem jungen Mann Anfang 20, der einfach ein Grobian ist. Er möchte dir nicht wehtun. Er vergisst einfach, dass ihr nicht in der gleichen Gewichtsklasse spielt. Wenn du ihm sagst, dass dir etwas wehtut, glaubt er insgeheim, dass du dich anstellst. Ihm würde das schließlich nicht wehtun. Er kann sein eigenes Verhalten nicht reflektieren, also nimmt er dich nicht ernst. Vielleicht lacht er über deine Einwände, oder er reagiert genervt.
Wenn du ihn fragen würdest, warum er das tut, hätte er wahrscheinlich nicht einmal eine Antwort für dich parat. Maximal die, dass er dabei keine böse Absicht verfolgt. Vielleicht versucht er auf grobe Weise, deine Aufmerksamkeit oder Zuneigung zu bekommen. In jedem Fall ist das emotional unreifes Verhalten. Ein Kind im Körper eines Mannes.
Lies auch: „Mein Mann benimmt sich wie ein Teenager“
Mein Partner ignoriert meine Grenzen, weil er es nicht anders kennt
Das Verhalten, das in unserer Herkunftsfamilie gelebt wurde, verinnerlichen wir als normal. Wir übernehmen es im Erwachsenenalter und leben ebenfalls so. Solange bis jemand oder etwas kommt, das uns aufzeigt, dass es nicht normal ist. Wenn dein Partner also in seiner Familie erlebt hat, dass Grenzen ignoriert werden und “abfällig” miteinander geredet wird, dann sieht er erst einmal kein Problem darin.
Vielleicht sind ihm manche seiner Gewohnheiten auch bereits als problematisch bewusst. “Abfälliges” Reden erkennt man relativ einfach als problematisch, aber dass man Grenzen ignoriert, ist etwas sehr Subtiles. Es ist oft nicht richtig greifbar, wenn man es nicht gelernt hat.
Kinder lernen von ihren Eltern, wo ihre Grenzen liegen und wie man andere dazu bewegt, diese zu respektieren. Wenn in seiner Familie Grenzen nicht respektiert wurden, dann hat das gleich mehrere negative Folgen für ihn:
- Ihm wurde vorgelebt, wie man Grenzen überschreitet
- Ihm wurde nie vermittelt, wo seine eigenen Grenzen sind
- Er durfte entsprechend auch keine Grenzen setzen
Für dich als seine Partnerin bedeutet das, dass er nur gelernt hat, wie man Grenzen überschreitet, nicht wie man sie respektiert. Entsprechend sieht er in grenzüberschreitendem Verhalten gar kein Problem. Es ist für ihn einfach normales Verhalten. Du darfst das jetzt ausbaden.
Außerdem kennt er seine eigenen Grenzen nicht. Das bedeutet, dass er sie dir auch nicht kommunizieren kann, was auf Dauer zu Enttäuschungen und Groll führt. Dann könnte er mit der Zeit abfälliger und grober werden, weil er insgeheim Wut auf dich empfindet, das aber nicht richtig zuordnen und ausdrücken kann. Jeder Mensch überschreitet von Zeit zu Zeit die Grenzen anderer. Vermutlich tust du das bei ihm ungewollt auch, wenn er seine Grenzen nicht kommuniziert.
Außerdem gilt: Wenn ich selber keine Grenzen habe, habe ich auch kein Verständnis für die Grenzen anderer Menschen.
Übrigens: Wenn du den starken Verdacht hast, dass in seiner Familie grenzüberschreitendes Verhalten normal war, dann stehen die Chancen gut, dass es in deiner Familie in einer anderen Ausprägung auch so war. Meistens finden sich zwei Menschen in einer Beziehung, die die gleiche Entwicklungsaufgabe nachzuholen haben.
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Mein Partner ignoriert meine Grenzen, weil er ein toxisches Bild von Männlichkeit hat
Im schlimmsten Fall bist du in einer Beziehung mit jemandem, dessen Normalzustand häusliche Gewalt ist. In so einem Fall hat dein Partner nie gelernt, wie gegenseitiger Respekt aussieht. Wahrscheinlich kannte er nur Angst, die Ausübung von Macht und Kontrolle. Für dich bedeutet das, dass es mit kleinen Herabwürdigungen anfängt. Später folgen angeblich einmalige Ausrutscher. Er entschuldigt sich und gelobt Besserung. Vielleicht meint er es sogar so. Aber stattdessen kommt es zu immer größeren Eskalationen.
Für eine Liebesbeziehung ist Respekt das Fundament. Durch Respekt zeigen wir uns, dass wir einander wichtig sind. Wenn dein Partner dich misshandelt, fehlt eurer Beziehung das Fundament. Er respektiert dich nicht und sich selbst ebenfalls nicht. Auch du respektierst ihn nicht, wenn du ihm gestattest, dich so zu behandeln. Partner, die sich respektieren, wollen das Beste füreinander. Gewalt kann niemals das Beste sein – nicht für das Opfer und auch nicht für den Täter. Im schlimmsten Fall endet das damit, dass einer tot und der andere im Gefängnis ist.
Bevor es zu Formen körperlicher Gewalt kommt, eskaliert erst einmal die emotionale/psychische. Manchmal gibt es gar keine Anzeichen von körperlicher Gewalt, bis zu dem einen Tag, an dem einer versucht, die Beziehung zu beenden, und dann kommt es zu schlimmen Straftaten. Da, wo es emotionale Gewalt gibt, kann es auch zu körperlicher Gewalt kommen.
Falls du befürchtest, dass deine Beziehung sich in eine schlimme Richtung entwickelt, findest du hier die Anzeichen für emotionale Gewalt in Beziehungen: Wo fängt Gewalt in der Beziehung an? 22 Anzeichen
“Mein Partner ignoriert meine Grenzen” – Kann sich etwas ändern?
Die gute Nachricht ist: Sofern dein Partner nicht zu der Sorte gehört, für die häusliche Gewalt die Norm ist, kann sich eure Situation relativ einfach ändern. Dafür musst du weder blind noch gutgläubig an die Sache herangehen, weil im ersten Schritt völlig egal ist, was dein Partner macht.
Er kann Besserung geloben. Er kann behaupten, dass er halt so ist und nicht aus seiner Haut kann. Er kann parallel an sich arbeiten, oder auch nicht. Was er macht, ist zweitrangig. Im ersten Schritt reicht es, wenn du dich von dem Gedanken löst, dass er das Problem ist. Wenn du glaubst, dass eure Probleme gelöst wären, wenn er sich nur ändern würde, dann ist alleine dieser Gedanke schon euer größtes Problem.
Erstens hast du überhaupt keinen Einfluss darauf, was er macht und was nicht. Deshalb bringt dieser Gedanke dich in die sehr unangenehme Position, Bittsteller zu sein und warten zu müssen. Dann bettelst und verzweifelst du und es passiert trotzdem nichts. Zweitens ist es egal, wie einseitig so eine Situation aussieht, im Beziehungskontext gibt es immer zwei Seiten. Du siehst deinen Beitrag zum Problem bloß nicht, weil du zu nah dran bist. Es geht ja um dich. Im Englischen gibt es ein Sprichwort: Du kannst das Etikett nicht lesen, wenn du in der Flasche sitzt.
Wenn ein Paar zu mir in die Paarberatung kommt, dann ist die Ausgangslage eigentlich immer, dass angeblich einer das Problem ist und sich ändern müsste und der andere langsam verzweifelt, weil er es nicht tut. Manchmal sind sich die Partner uneinig. Dann denkt jeder, der Andere wäre das Problem. Manchmal sind sie sich aber auch einig. Dann sagt Partner 1, dass Partner 2 sich ändern muss und Partner 2 ist reumütig und sieht das genauso. In beiden Fällen haben die Partner unrecht. Es liegt immer an beiden. Die Paare, die eine Paartherapie erfolgreich abschließen, ihr Problem also lösen und wieder glücklich miteinander sind, sind diejenigen, die nach ein paar Sitzungen begreifen, dass beide zum Problem beitragen.
Wenn du und dein Partner euch gegenseitig beschuldigt, Schuld an euren Problemen zu sein, dann kontaktiere mich gleich hier und vereinbare einen Termin zum Erstgespräch für eine Paarberatung. Alternativ kannst du mir auch eine Email an hallo@fraginga.de schreiben.
Du denkst vielleicht, dass dein Partner sich ändern muss, weil er deine Grenzen ignoriert, tatsächlich ist es aber so, dass du dich ändern musst. Wenn du dich änderst und lernst, wie man Grenzen setzt, kann dein Partner sie nicht mehr ignorieren. Ja, es wäre schön, wenn er sich auch ändert. Aber er muss es nicht, damit du bekommst, was du willst. Es reicht schon, wenn du dich änderst und das ist eine großartige Nachricht. Du hast die volle Kontrolle über das, was du tust. Du kannst dir selbst geben, was du brauchst. Kein Bitten und Warten nötig.
Als Bonus kannst du dich aber darauf einstellen, dass er sich anpassen wird, wenn du dich veränderst. Eine Beziehung ist ein System. Ändert sich ein Teil davon, muss der andere Teil sich zwangsläufig auch verändern.
Also: Wenn missachtete Grenzen das Problem sind, musst du lernen, wie man Grenzen effektiv setzt, sodass sie nicht mehr missachtet werden können.
Was tun, wenn mein Partner meine Grenzen ignoriert? 1. Kenne deine Grenzen
Wenn dein Partner etwas sagt oder tut, was dich verärgert, ist der perfekte Zeitpunkt, um eine Grenze zu setzen – denken zumindest viele. Tatsächlich ist der Drops dann schon gelutscht. Grenzen werden im Vorfeld gesetzt, um verletzte Gefühle zu verhindern. Wenn du also verletzt oder wütend bist über etwas, das dein Partner getan hat, kannst du das als Zeichen dafür nehmen, dass bereits eine Grenze überschritten wurde.
Grenzen werden nicht im Nachgang erklärt. Das ist ein häufiges Missverständnis. Viele Menschen glauben, dass jemand sich grenzüberschreitend verhält und dieser Person deshalb eine Grenze gesetzt werden muss. Das stimmt so nicht. Grenzen können nachträglich gesetzt werden, wenn man es vorher versäumt hat. Besser spät als nie. Aber eigentlich werden Grenzen direkt gesetzt, damit der Andere einen Wegweiser hat. Nicht erst nachträglich, damit sich das Verhalten nicht wiederholt. Grenzen sind ein ganz natürlicher Bestandteil einer gesunden Beziehung. Sie sind von Anfang an da.
Wenn dein Gegenüber deine Grenzen nicht kennt, ist es fast schon garantiert, dass er sie überschreiten wird. Stell dir vor, zwei Häuser liegen nebeneinander. Es gibt keinen Zaun. Woher soll man jetzt wissen, wo das eine Grundstück aufhört und das andere anfängt? Die Wahrscheinlichkeit, dass du unbeabsichtigt eine Grenze überschreitest, ist sehr hoch.
Du darfst davon ausgehen, dass dein Partner deine Grenzen nicht kennt, wenn du sie selbst nicht kennst. Wenn dir immer erst auffällt, wo deine Grenzen liegen, nachdem sie jemand überschritten hat, liegt das Problem bei dir. Du musst wissen, wo deine Grenzen sind, damit andere Menschen sie respektieren können. Dabei darfst du davon ausgehen, dass Menschen, die dich lieben, deine Grenzen respektieren wollen. Sie sind froh darüber, wenn sie wissen, was dich stört oder verletzt. Menschen, die bewusst und skrupellos Grenzen übergehen, sind in der Minderheit. Wahrscheinlich ist dein Partner keiner davon (außer in eurer Beziehung herrscht häusliche Gewalt vor, dann ist er genau so einer).
Wahrscheinlicher ist, dass du Schwierigkeiten hast, deine eigenen Grenzen zu spüren. Das kann verschiedene Gründe haben. Hier mal eine kleine Auswahl:
- Angst vor Ablehnung. Manchmal setzen wir keine Grenzen, weil wir nicht als schwierig, bedürftig oder empfindlich gelten wollen. Dann kommunizieren wir nicht klar, was wir eigentlich wollen, weil wir insgeheim Angst haben, dass der andere uns ablehnen könnte.
- Verlustangst ist auch manchmal ein Thema. Vielleicht hast du unterbewusst Angst, einen Streit zu riskieren und im schlimmsten Fall einen Menschen zu verlieren, der dir wichtig ist.
- Grenzen haben auch etwas mit Bedürfnissen zu tun. Vielleicht fällt es dir schwer, deine Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren. Gerade Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl priorisieren oft die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen, hegen aber nachträglich Groll deswegen.
Im Endeffekt lassen sich all diese Punkte darauf reduzieren, dass du deinen eigenen Wert nicht erkennst und dich entsprechend selbst nicht mit Wertschätzung und Liebe behandelst. Gesunde Grenzen sind gewissermaßen ein Nebenprodukt eines gesunden Selbstwertgefühls. Emotional gesunde Menschen setzen gesunde Grenzen und gesunde Grenzen schaffen emotionale Nähe in Beziehungen.
Dein Bauchgefühl sagt dir, dass es nicht an dir liegt? Es kann natürlich sein, dass du sehr wohl gut darin bist, deine Bedürfnisse zu erkennen und Grenzen zu setzen. Manchmal geraten wir trotzdem an Partner, die unsere Grenzen nicht respektieren. Ob dein Partner so jemand ist – oder auch nicht – kannst du mit Hilfe meiner Entscheidungshilfe zum Thema „Trennen oder bleiben?“ überprüfen. Dort erfährst du genau, ob es an dir liegt, oder an ihm und inwiefern er sich ändern könnte.
Hier findest du alle Informationen dazu: Trennen oder bleiben? Die ultimative Entscheidungshilfe
Was tun, wenn mein Partner meine Grenzen ignoriert? 2. Betrachte Grenzen in einem neuen Licht
Wir haben schon besprochen, dass Grenzen nicht dazu dienen, ein Verhalten nachträglich zu korrigieren. Sie können diesen Effekt haben, aber sind eigentlich nicht so gedacht. Grenzen dienen zwar deinem Schutz, aber eher wie ein Bodyguard als wie ein Polizist. Die Polizei kommt erst, wenn bereits etwas passiert ist. Der Bodyguard ist dazu da, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Wenn eine Grenze überschritten wurde, dann bedeutet das, dass kein Bodyguard anwesend war.
Deshalb ist es wichtig, dass du Grenzen in einem neuen Licht betrachtest. Erstens darfst du deine Denkweise dahingehend ändern, dass Grenzen im Vorfeld kommuniziert werden und nicht erst, wenn es schon zu spät ist. Zweitens darfst du davon ausgehen, dass dein Gegenüber deine Grenzen respektieren möchte.
Nehmen wir an, dein Gegenüber hat eine Grenze überschritten. In den meisten Fällen wird dein Gegenüber nicht das Ziel verfolgt haben, diese Grenze zu überschreiten. Er hat sie einfach nicht gesehen und du hast ihn nicht aufgehalten. Die Frage ist: Warum hast du ihn nicht aufgehalten? War dir vorher bewusst, dass du dort eine Grenze spürst? Hast du sie kommuniziert? Hast du sichtbare Hürden aufgebaut?
Ein Beispiel: Ich bekomme Besuch und das Schlafzimmer ist unaufgeräumt. Also möchte ich nicht, dass jemand hineingeht. Der einfachste Weg wäre, die Tür ins Schlafzimmer zu schließen. Ich baue also eine Hürde auf. Diese Hürde kommuniziert für mich, dass da eine Grenze ist. Wenn ich nun aber weiß, dass der Besuch neugierige Kinder hat, dann kann ich antizipieren, dass die geschlossene Tür ein Kind nicht aufhalten wird. Also muss ich zusätzlich kommunizieren, dass ich nicht will, dass jemand ins Schlafzimmer geht. Besser noch: Ich schließe die Tür einfach ab. Dasselbe gilt, wenn der Besuch nicht weiß, wo das Bad ist und die Türen verwechseln könnte. Ich muss also wissen, was mir wichtig ist, damit ich sicherstellen kann, dass es auch geachtet wird.
Nehmen wir mal ein Beispiel aus einer Beziehung: Du kaufst ein, kochst das Abendessen und rufst deinen Mann zum Tisch. Er sitzt im Büro und arbeitet. Du rufst ihn mehrfach, weil das Essen kalt wird. Irgendwann antwortet er genervt, dass du ohne ihn anfangen sollst. Er kommt, wenn du schon fast aufgegessen hast und es kommt zum Streit zwischen euch. Jetzt könntest du dich ärgern, dass er zumindest essen kommen sollte, wenn schon jemand sich die Mühe macht, um für ihn einzukaufen und zu kochen. Und du hättest recht, das stimmt natürlich.
Jetzt stellt sich bloß die Frage, ob dein Mann wusste, dass du für ihn kochst. Wusste er, dass du jetzt kochst und zum Zeitpunkt XY mit ihm gemeinsam essen möchtest? Oder bist du davon ausgegangen, dass er es wissen müsste, weil du mit den Kochtöpfen geklappert hast?
Hätte er es gewusst, hätte er dir sagen können, dass er gerne sein Projekt vorher abschließen möchte, damit er danach in Ruhe essen und den Rest des Abends mit dir verbringen kann. Dann hättet ihr eine Uhrzeit aushandeln können. Das Essen wäre nicht kalt geworden. Er wäre mit einem positiven Gefühl zum Tisch gekommen und hätte sich bei dir fürs Kochen bedankt. Gleichzeitig hättest du ihm gezeigt, dass du seine Arbeit respektierst und verstehst, dass er nach dem Essen lieber Feierabend hätte. Respekt geht schließlich in beide Richtungen. Du respektierst seine Grenzen (in diesem Fall: Erst die Arbeit, dann das Essen) und er respektiert deine Grenzen (in diesem Fall: Wenn ich koche, möchte ich dafür deine Wertschätzung).
Wenn man Grenzen richtig einsetzt, schützen sie einen nicht nur vor Verletzungen. Sie vertiefen auch das gegenseitige Verständnis. Man lernt einander anhand der Grenzen besser kennen. Sie bauen im Endeffekt Nähe und Vertrauen auf.
Lies auch: Ständiger Streit in der Beziehung? DAS kannst du dagegen tun
Was tun, wenn mein Partner meine Grenzen ignoriert? 3. Halte seine Gefühle aus und setz die Grenze trotzdem
Sehr wahrscheinlich musst du keine Angst vor Gegenwind bei deinem Partner haben. Gut gesetzte Grenzen lösen Probleme, sie schaffen keine. Menschen, die dich lieben, wollen außerdem, dass es dir gut geht. Und dein Partner kann dich durch deine Grenzen noch besser kennenlernen und einen Menschen wirklich zu kennen, heißt ja bekanntlich ihn auch zu lieben. Ich habe zudem noch nie von einem Mann gehört, dass er froh ist, eine Fußabtreter-Frau zu haben. Die meisten Männer lieben an ihren Frauen, dass sie ihnen eben nicht einfach alles durchgehen lassen. Deshalb ist von deinem Partner vermutlich kein Gegenwind zu erwarten.
Aber deine Reise zu mehr Grenzen in deinem Leben wird sich zwangsläufig auf alle Lebensbereiche ausweiten, nicht nur auf deine Beziehung. Das bedeutet, du wirst auch auf Menschen treffen, die deine Veränderung nicht begrüßenswert finden. Hier kommen wir an einen Punkt, an dem viele einknicken.
In dem Moment, in dem du anfängst Grenzen zu setzen, muss dein Gegenüber sich anpassen. Du signalisiert mit der Grenze, dass diese Beziehung an Bedingungen geknöpft ist. Man kann mit dir nicht beliebig umgehen. Du hast eigene Ansprüche. Das wird für viele Menschen in deinem Leben absolutes Neuland sein, wenn du vorher keine Grenzen gesetzt hast. Im ersten Moment kann es deshalb zu Spannungen kommen. Das ist normal, aber das muss man auch erst einmal aushalten können.
Wir haben von Natur aus den Wunsch, es anderen Menschen recht machen zu wollen. Nachdem du eine Grenze gesetzt hast, musst du dieses Verlangen unter Umständen aushebeln. Wie dein Gegenüber reagiert, ist nicht deine Sache. Falls du dir damit sehr schwer tust, hilft es, deine Grenze zu überprüfen. Wenn du eine Grenze setzt, dann nicht um das Verhalten deines Gegenübers zu kontrollieren, sondern um deine Bedürfnisse zu achten. Solange das der Fall ist, hast du jedes Recht diese Grenze zu setzen und musst auch nicht davon abweichen.
Du kannst dir außerdem merken, dass gute Grenzen keine Kooperation vom Anderen verlangen. Du kannst sie einfach eigenständig durchsetzen. Es geht bei gesunden Grenzen zu 100% um dich selbst – deine Gefühle, deine Bedürfnisse, dein Verhalten.
PS: Falls dein Partner wider Erwarten doch negativ auf deine Grenzen reagieren sollte, wäre das nicht das Ende der Welt. Es wäre schade und vielleicht ein Anzeichen dafür, dass er Schwierigkeiten mit seiner eigenen emotionalen Reife hat, aber es wäre kein Weltuntergang. Du kannst deinen Plan trotzdem weiter verfolgen. Mit der Zeit wird dein Partner sich entweder anpassen oder entfremden.
Wenn er sich nicht anpasst und dir stattdessen spiegelt, dass er dein Verhalten problematisch findet, kannst du mich hier für eine Paarberatung kontaktieren. Vielleicht bist du noch nicht so gut darin, deine Grenzen zu kommunizieren, wie du gerne wärst. Alternativ kannst du mir eine Email an hallo@fraginga.de schreiben und so einen Termin für ein Erstgespräch vereinbaren.
Falls eine Paarberatung zurzeit nicht das Richtige für dich ist, habe ich außerdem eine Entscheidungshilfe, die dir helfen kann. In dieser Entscheidungshilfe führe ich dich eine Woche lang Schritt für Schritt durch alle relevanten Faktoren, die dir sagen können, ob er und diese Beziehung wirklich richtig für dich ist. Du findest Antworten auf Fragen wie: Liegt es an mir? Ist er das Problem? Würde ich eine Trennung bereuen? Kann er sich ändern? uvm.
Hier findest du alle Informationen dazu: Trennen oder bleiben? Die ultimative Entscheidungshilfe