Hallo Inga,
ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Ich hatte eine Beziehung, die nicht wirklich gut lief. Ich weiß, es gibt immer zwei Seiten, aber ich habe die Beziehung beendet, weil er sich immer wieder Aufmerksamkeit von anderen Frauen holen musste. Nicht sexuell, aber es gab andere Vorfälle. Einmal hat eine Frau im Club seine Backe abgeknutscht und er hat auch mit einer anderen geschrieben. Zudem hatte er Tinder auf seinem Handy installiert und wollte mir erzählen, dass er es ja gar nicht nutzt. Kurz gesagt: Ich habe dann Schluss gemacht. Es gab aber auch noch viel mehr Gründe.Mein Problem jetzt ist, dass ich in einer neuen Beziehung bin. Aber durch die alte Beziehung doch mehr Schaden mitgenommen habe. Ich zweifele an der Beziehung, nur weil er nicht mehr so schreibt wie am Anfang. Was ja ganz normal ist, aber irgendwie kommt da auch kein „Ich liebe dich“ mehr und er schreibt auch anders. Ich weiß, man sollte es nicht vergleichen, aber irgendwie weiß ich nicht, wie ich das in den Griff bekommen soll. Ich finde was und wie du schreibst sehr toll.
Ina
Liebe Ina,
es tut mir leid, dass du so miserable Erfahrungen in deiner vergangenen Beziehung gemacht hast. Mein Herz blutet immer, wenn ich so etwas lese. Ich wünsche jeder Frau, dass ihre Beziehung auf Vertrauen basiert. Vertrauen ist allerdings so eine Sache. Es hängt tatsächlich nicht nur von dir ab. Ja, du musst Vertrauen bereitwillig verschenken. Dein Partner darf dir aber auch keinen Grund geben, um ihm zu misstrauen.
Soweit ich das aus deiner Nachricht erkenne, tut dein neuer Partner das aber auch nicht. Ich glaube, sein Verhalten ist gar nicht der Grund, aus dem du verunsichert bist, sondern deine eigenen Erwartungen verunsichern dich.
In den Medien (ob Soziale Medien oder Magazine) wird immer ein total unrealistisches Bild von einer Partnerschaft propagiert. Es sollte in einer Beziehung immer knistern, man darf sich nie böse streiten und schon gar nicht wütend zu Bett gehen und das größte Ziel einer jeden Beziehung sollte sein, dass es für immer so bleibt wie am Anfang.
Ich finde, das ist Blödsinn.
Eine Beziehung kann gar nicht für immer so bleiben wie am Anfang. Grund dafür sind die verschiedenen Phasen, die jede Beziehung durchlaufen MUSS. Wenn du dir bewusst machst, was die verschiedenen Beziehungsphasen sind, dann wirst du feststellen, dass du eigentlich gar kein Problem hast, das du „in den Griff“ bekommen musst.
Viele Frauen sehen Probleme in ihrer Beziehung, obwohl es keine gibt. Wir sind darauf konditioniert zu glauben, dass etwas nicht stimmt, sobald wir negative Gefühle verspüren. Unsicherheit, Wut, Angst – all diese negativen Gefühle haben ihren Platz in einer vollkommen gesunden Beziehung.
Das sagt einem bloß keiner.
Deshalb habe ich deinen Brief exemplarisch genommen. So können auch andere Frauen ihr Problem vergleichen, etwas über die fünf Phasen einer Beziehung lernen und sich entspannt zurücklehnen, in dem Wissen, dass mit ihrer Beziehung ebenfalls alles in Ordnung ist.
Die erste Beziehungsphase: Verliebtheit
Ich kann den Wunsch, dass die Beziehung so bleibt wie am Anfang, natürlich verstehen. Wenn ich mich an den Anfang meiner Beziehung zu meinem Mann erinnere, dann werde ich auch schon mal wehmütig.
Alles war aufregend. Man hat nächtelang durchgequatscht, weil man gar nicht genug vom Anderen erfahren konnte. Man hatte Schmetterlinge im Bauch und man wusste genau, dass man die großartigste Frau auf dem Planeten in den Augen dieses Mannes war.
Aber die anfängliche Verliebtheit hatte auch ihre Schattenseiten. Der Hormon-Cocktail, der das verliebte Gefühl auslöst, lässt sie uns nur nicht sehen.
Man ist nämlich auch immer darauf bemüht, sein bestes Ich zu präsentieren. Man kennt seinen Partner eigentlich noch nicht, weil beide sich noch nicht sicher genug in der Beziehung fühlen, um sich vollkommen fallenzulassen. Man stellt auch keine Ansprüche an den Anderen, weil man ihn nicht verschrecken will.
Außerdem ist der Körper permanentem Stress ausgesetzt. Ja, wirklich. Deshalb muss die verliebte Phase auch nach spätestens 18 Monaten enden. Die Hormone, die das verliebte Gefühl auslösen, stressen den Körper. Wir würden diesen Zustand für immer gar nicht aushalten.
Bei mir hat diese Phase nicht einmal 18 Monate gehalten.
Trotzdem ist das das Ideal, dem wir alle hinterher hechten. Es ist wie mit Hip Dips. Ein Körper ohne Hip Dips ist unrealistisch. Jeder hat sie. Trotzdem machen wir Workouts, um sie loszuwerden und bewundern Kim Kardashian dafür, dass sie keine hat. Dass ihre wahrscheinlich mit Eigenfett weggespritzt wurden, sieht man bei Instagram ja nicht.
Ich würde mir also gar keine Sorgen machen, wenn dein Freund nicht mehr so schreibt wie am Anfang. Du sagst selbst, das sei ganz normal – und du hast recht. Er kann gar nicht für immer so schreiben wie am Anfang, weil seine Hormone nicht mehr so verrückt spielen wie am Anfang.
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Die zweite Beziehungsphase: Die rosarote Brille fällt weg
In der zweiten Beziehungsphase schwindet das verliebte Gefühl. Das ist die Phase, in der wir den Partner so kennenlernen, wie er wirklich ist.
Liebe Ina, ich vermute, dass eure Beziehung in der zweiten Phase angekommen ist. Herzlichen Glückwunsch! Das ist etwas Gutes. Es bedeutet, ihr entwickelt euch als Paar weiter.
Du siehst deinen Partner jetzt nicht mehr als den perfekten Partner. Dafür siehst du ihn aber als der echte Mensch, der er ist. Er ist nicht mehr eine idealisierte Version von sich. Andersrum sieht er dich jetzt auch so, wie du wirklich bist.
In der ersten Beziehungsphase legen wir den Fokus auf das, was uns verbindet. In der zweiten dagegen auf das, was uns trennt. In dieser Phase wäre es sogar vollkommen normal, wenn du dich manchmal fragst, wie du dich so in deinem Partner täuschen konntest. Das kommt vor.
Die zweite Phase setzt nach spätestens 18 Monaten ein. Viele Menschen glauben jetzt, dass die Liebe verschwunden ist. Dabei ist nur die Verliebtheit verschwunden.
Ich finde es immer schade, wenn ein Paar sich in dieser Phase trennt. Wer immer mit wechselnden Partnern von einer Verliebtheitsphase in die nächste hüpft, und jede Beziehung beendet, sobald die Schmetterlinge weg sind, wird nie eine tiefe Liebe erfahren.
Ich muss dir aber leider auch sagen: Die nächste Phase wird nicht einfacher. Deshalb scheitern die meisten Beziehungen in der dritten Phase.
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Die dritte Beziehungsphase: Streit
Die dritte Beziehungsphase nenne ich liebevoll die „Streitphase“. Vielleicht seid ihr auch bereits in dieser angekommen.
In der zweiten Beziehungsphase hat man festgestellt, welche Macken der Andere hat, und die dritte Phase nutzt man, um diese zu bekämpfen.
Jeder versucht den Anderen zu seinem idealen Partner zu modeln. So kämpft auch jeder darum, die Dinge weiterhin auf seine eigene Art zu handhaben. Jeder will recht behalten.
Du willst am liebsten jeden Tag ein „Ich liebe dich“ hören. Er will nicht, dass ihm vorgeschrieben wird, wann er das zu sagen hat. Ja, es geht dann manchmal nur um Trotz. Man will sich nichts sagen lassen. Manchmal geht es auch ums allseits beliebte Prinzip.
Mein Mann und ich hatten am Anfang auch mal den Konflikt, dass ich gerne öfter ein „Ich liebe dich“ gehört hätte, als er bereit war, es zu sagen. Rückblickend wollte ich diese Worte aber eher aufgrund meiner eigenen Unsicherheit hören. Interessanterweise hat er angefangen öfter „Ich liebe dich“ zu sagen, als es mir nicht mehr so wichtig war, es zu hören.
In der dritten Beziehungsphase kommt zudem jeder irgendwann an den Punkt, an dem er an der Beziehung zweifelt. Man hat sich müde gekämpft und fragt sich, ob man den falschen Partner hat.
Ich sage es noch einmal deutlich: Jeder zweifelt irgendwann an seiner Beziehung. Das ist nur menschlich.
Mehr erfahren: Zweifel an der Beziehung: Warum sie vollkommen normal sind und was du trotzdem dagegen tun kannst
Die dritte Phase ist trotzdem schön und wichtig. Ja, sie ist geprägt von Machtkämpfen, aber die sind wichtig. Man reibt sich an einander, damit man nachher besser zusammenpasst.
Viele glauben es nicht, aber Streit ist das vielleicht wichtigste Instrument einer guten Beziehung. Streit wird gesellschaftlich verteufelt, aber tatsächlich hilft Streit dabei sich intensiv kennenzulernen und er stellt sicher, dass die eigenen Bedürfnisse erfüllt werden.
Wann jemand in die dritte Beziehungsphase kommt, oder wie lange sie dauert, kann man übrigens nicht sagen. Das ist höchst individuell. Menschen, die sich viel mit ihrer Beziehung beschäftigen und an sich arbeiten, kommen schneller dahin, als Leute, die nur die Zeit absitzen.
Viele entscheiden sich wegen des ständigen Streitens, in der dritten Phase die Beziehung zu beenden. Andere machen aber weiter und kommen in die vierte Phase.
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Die vierte Beziehungsphase: Bereicherung
Die vierte Beziehungsphase ist wirklich schön.
In der vierten Phase lernt man, sich nicht nur um die Beziehung zu drehen, sondern jeder Partner etabliert sich neu als eigenständige Person. Man muss seine Energie nicht mehr in ständigen Streit investieren. Deshalb können beide Partner sich wieder verstärkt um sich selbst kümmern, ohne dabei die Beziehung zu vernachlässigen. Es gibt ein Ich, es gibt ein Du und es gibt ein Wir.
Dabei unterstützen sich beide Partner auf ihrem individuellen Weg. Man sieht den Partner, mit all seinen guten und schlechten Seiten, als Bereicherung in seinem Leben.
Es gibt natürlich auch weiterhin Streit, aber man hat gelernt richtig zu streiten. Jetzt bringt einen Streit jedes mal ein Stückchen näher.
Die fünfte Beziehungsphase: Zuhause
In der fünften Phase ist dann komplett Ruhe eingekehrt. Man kennt sich, man liebt sich und hat einen Weg gefunden, die Beziehung so zu führen, dass beide damit glücklich sind. Jeder darf er selbst sein. Jeder weiß, was der Andere braucht. Man weiß sich gegenseitig zu schätzen. Nicht zuletzt, gerade weil man zusammen so viel durchgestanden hat.
Jetzt kann man seine Energie dafür nutzen, sich gemeinsam um ein neues Projekt zu kümmern. In der fünften Beziehungsphase verfolgen Paare gemeinsame Ziele. Sie bauen ein Haus, sie gründen eine Familie, andere gründen ein Business. Egal, was es ist, man tritt gemeinsam dafür ein.
Spätestens in der fünften Beziehungsphase hat man erkannt, dass man einen Partner fürs Leben gefunden hat. Ich finde Fynn Kliemann drückt das Gefühl in der fünften Beziehungsphase am besten aus, wenn er singt: „Mein Zuhause ist kein Ort, das bist du“.
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Es ist super, dass die Beziehung nicht mehr ist wie am Anfang
Um zur fünften Phase zu kommen, muss man natürlich erst einmal die ersten vier Phasen durchleben (oder überleben).
Heutzutage glauben wir oft, wenn es anstrengend wird, sei dies ein Zeichen dafür, dass die Beziehung nichts taugt. Das könnte gar nicht falscher sein.
Jede Beziehung muss anstrengend werden, damit sie es irgendwann nicht mehr ist. Probleme gehören im Leben immer dazu. Es wird nie etwas in deinem Leben geben, das frei von Problemen ist.
Ich vergleiche es gerne mit einem Kind.
Babys sind unglaublich süß. Wenn dein Baby dich anstrahlt, dann schmilzt du förmlich dahin. Aber sie werden größer und sind irgendwann nicht mehr niedliche Babys, sondern zickige Teenager, die dich wahnsinnig machen. Trotzdem würde jetzt niemand auf die Idee kommen zu sagen, mit dem Kind würde etwas nicht stimmen.
Wir belächelnd das trotzige Verhalten eines Kleinkindes und nehmen auch das bockige Verhalten eines Teenagers hin. Wir wissen, dass Kinder wachsen und manch eine (für die Eltern) anstrengende Phase auf dem Weg zum Erwachsensein durchleben müssen. Vor allem aber wissen wir, dass Kinder jahrelang anstrengend sein werden. Trotzdem lassen wir uns auf Windeln, schlaflose Nächte und Gezicke ein. Diese entspannte Haltung wünsche ich mir auch für Beziehungen.
Eine Beziehung ist nämlich nicht anders. Es gibt unglaublich schöne Erlebnisse, es gehören aber auch anstrengende Zeiten dazu.
Im Übrigen durchlaufen wir die fünf Beziehungsphasen nicht bloß einmal. Der Begriff „Phase“ ist also eigentlich irreführend. Man müsste es eher „Zyklus“ nennen. Denn wir durchlaufen diese fünf Phasen immer wieder.
Mein Mann und ich sind jetzt seit sieben Jahren ein Paar und ich schätze, wir sind jetzt in unserem zweiten, vielleicht dritten Zyklus.
Es hat sein Gutes, dass wir die Beziehungsphasen immer wieder durchlaufen. So können wir auch immer wieder in unserem Leben Schmetterlinge im Bauch fühlen – und das mit demselben Partner. Es hat aber natürlich auch Nachteile, denn so kommt auch die Streitphase immer wieder.
Aber wir wachsen an unseren Herausforderungen und letztlich gilt: Eine Beziehung oder gar eine Ehe ist schön, aber von einfach war nie die Rede.