Ich bin mit meinem Freund seit 1,5 Jahren zusammen. Wir haben relativ gleiche Vorstellungen über unsere Zukunft (…) Er liebt mich und ich liebe ihn. Wir sind nach 6 Monaten Beziehung zusammengezogen und das hat wunderbar geklappt. (…) Er hat mich in allem immer unterstützt, ob einfach im Alltag oder bei den größeren Sachen. Allerdings musste er sich für eine neue Stelle bewerben, weil er noch promovieren möchte und die Stelle ist in einer anderen Stadt (…). Ich muss leider noch 3 Jahre lang studieren (…) und deswegen haben wir uns für eine Fernbeziehung entschieden.
Nun ist kaum 1 Monat vorbei und wir stellen schon unsere Beziehung in Frage. Ich habe ein relativ volles Leben, Vollzeitstudium, Arbeit (…) Leistungssport, Freunde. Und er muss in der neuen Stadt erstmal seinen Alltag füllen (zusätzlich zur Arbeit). Nun haben wir uns die letzten zwei Wochen ständig gestritten, weil er der Meinung ist, er passe sich sehr an mich an. Ich währenddessen mache auch Vieles für unsere Beziehung (…). Allerdings sind wir durch diese Streitigkeiten in einem Teufelskreis gelandet, sodass wir nur noch Vorwürfe füreinander haben. (…)
Und nun hat er gestern ausgesprochen, dass es so zwischen uns nicht mehr weiter funktioniert. Obwohl ich gesagt habe, dass ich an uns glaube und dass wir es schaffen, hat er sich einfach stumm zurückgezogen (…) Seitdem: Funkstille. Ich lass ihn gerade auch in Ruhe. Aber was würdest du mir empfehlen? Ist sein Rückzug das Bedürfnis nach einer Pause? Oder Trennung?
Ich möchte zuerst auf deine letzte Frage eingehen: Wünscht er sich eine Pause oder eine Trennung? Für mich klingt es nach einem “weder… noch”. Er hat nicht gesagt, dass er sich eine Pause wünscht. Von einer Trennung hat er ebenfalls nicht gesprochen. Männer, die sich eine Pause oder eine Trennung wünschen, sagen das für gewöhnlich auch.
Er hat nur gesagt, dass es so zwischen euch “nicht mehr weiter funktioniert”. Für mich klingt das nach Überforderung mit der Situation, vielleicht auch Hilflosigkeit. Er wusste nicht, wie es weiter funktionieren kann und wollte sich darüber Gedanken machen. Er wollte es vielleicht auch erstmal nicht noch schlimmer machen. Also hat er sich zurückgezogen.
Dass du Angst hast, er könnte sich trennen wollen, ist also erstmal nur das: eine Angst. Du liebst ihn und da ist es verständlich, dass auch ein wenig Verlustangst mitspielt, wenn es zwischen euch kriselt.
Falls du dennoch abklären möchtest, ob er sich eine Beziehungspause wünscht, oder vielleicht sogar eine Trennung, kannst du in diesem Artikel Genaueres nachlesen: Was es wirklich bedeutet, wenn er eine Pause will.
Kommen wir nun zum eigentlichen Problem: Ihr lebt in einer Fernbeziehung.
Fernbeziehung: Anstrengend, aber manchmal sinnvoll
Fernbeziehungen können eine wunderbare Sache sein. Vor allem in jungen Jahren kann eine Fernbeziehung genau das Richtige sein, damit niemand Abstriche bei seiner späteren Karriere machen muss und beide sich als Individuen so entwickeln können, wie sie es brauchen. In eurem Fall bedeutet das: Ihr könnt zusammen bleiben und trotzdem kannst du dein Wunschstudium abschließen und er kann promovieren. Jeder gestaltet sein Leben weitestgehend so, wie er es möchte. Keiner muss für den Anderen zurückstecken. Das sind eigentlich perfekte Voraussetzungen, um sich gemeinsam etwas aufzubauen.
Aber natürlich hat auch das seinen Preis. Auch du schreibst: “Nun ist kaum 1 Monat vorbei und wir stellen schon unsere Beziehung in Frage”. Das liegt nicht an euch. Das liegt an der Fernbeziehung. Fernbeziehungen bieten nämlich eine ganze Reihe von Faktoren, die euer Zusammensein erschweren. Wir werden sie gleich alle besprechen, aber vorab ist für dich wichtig zu wissen:
- Wahrscheinlich seid nicht ihr das Problem, sondern die Umstände sind das Problem. Du schreibst: “Wir haben relativ gleiche Vorstellungen über unsere Zukunft”; “Er liebt mich und ich liebe ihn”; “Er hat mich in allem immer unterstützt”. Was hat sich geändert? Richtig, nur die Umstände.
- Nach einem Monat seid ihr immer noch neu in diesen schwierigen Umständen und es ist vollkommen normal, dass ihr euch erst einmal an diese Situation gewöhnen müsst. Streit ist da zu erwarten.
Eine Fernbeziehung ist keine normale Beziehung. Deshalb kommt es zu Frust auf beiden Seiten, wenn man an eine Fernbeziehung die gleichen Erwartungen hat wie an eine Beziehung, die nicht aus der Ferne funktionieren muss. Sie ist gleichwertig, aber nicht gleich.
Du willst auch einen Rat von mir zu deiner Beziehungssituation? Dann schreib mir eine Email an hallo@fraginga.de. Ich freue mich von dir zu hören.
5 Faktoren, die Fernbeziehungen so schwierig machen
Schauen wir uns nun an, warum eine Fernbeziehung eben nicht wie jede andere Beziehung ist, sondern um einiges herausfordernder. Wenn du und dein Partner versteht, was euch so belastet, sucht ihr die Schuld weniger bei euch und lasst sie da, wo sie hingehört: im Außen. Ihr steht dann wieder auf derselben Seite. Wir gegen das Problem, statt wir gegen einander – und das ist der Zustand, den wir in jeder Beziehungskrise herstellen müssen, um sie überwinden zu können.
1# Fernbeziehungen sind ätzend
Ich habe noch nie jemanden getroffen, der gesagt hat: “Mein Freund lebt 6 Stunden entfernt, ich liebe es.” Stattdessen höre ich häufig Variationen von “Ich halte das nicht aus”. Fernbeziehungen bedeuten in erster Linie, dass ihr einander ständig vermissen werdet. Niemand fühlt sich glücklich, wenn die Haupt-Emotion, die er fühlt, Sehnsucht ist.
Apropos Emotionen: Gefühle werden begleitet von Hormonen, die der Körper ausschüttet. Glückshormone wie Dopamin und Serotonin kommen in einer Fernbeziehung aber leider zu kurz, weil die tägliche Glücksdosis ausbleibt, die andere Paare bekommen, wenn sie sich sehen und in den Arm nehmen können. Das wirkt sich natürlich auch auf den Körper aus.
Es gibt inzwischen Studien, die bestätigen, dass Paare in Fernbeziehungen höhere Stresslevel haben – Beziehungsstress und individuellen Stress. Natürlich leidet dann eure Laune im Alltag. Beide sind gereizt und Streit wird wahrscheinlicher. Die gute Nachricht ist: Dieselbe Studie hat auch herausgefunden, dass Paare in Fernbeziehungen mehr Sport treiben und besser auf ihre Ernährung achten. Man kann das Stresslevel unterm Strich also ausgleichen.
2# Fernbeziehungen bedeuten weniger Körperkontakt
Wir wissen, dass Körperkontakt sich richtig schön anfühlen kann. Inzwischen wissen wir aber auch, dass Körperkontakt eine ganze Reihe von wissenschaftlich belegten, positiven Nebenwirkungen hat. Bei Erwachsenen kann Körperkontakt sogar gegen Angststörungen oder Depressionen helfen, wie man in dieser Studie nachlesen kann. In einer Fernbeziehung kommt Körperkontakt aber zwangsläufig zu kurz. Du gehst alleine schlafen, du wachst alleine auf. Sex als verbindender Faktor fehlt ebenfalls. Natürlich sind Paare in einer Fernbeziehung dadurch benachteiligt. Ihr habt es schwerer als andere Paare, alleine schon deshalb, weil euch der regelmäßige Körperkontakt fehlt.
Lies auch: Warum eine Beziehung nie so bleiben kann, wie sie am Anfang war
3# Fernbeziehungen verlangen eine effektive Kommunikation
Wenn dein Partner vor dir steht, kommuniziert ihr nicht bloß durch Worte. Ihr seht die Körpersprache des anderen, seinen Gesichtsausdruck, ob er oder sie gerade abgelenkt ist, weil parallel der Fernseher läuft. In einer Fernbeziehung fällt non-verbale Kommunikation oft fast vollständig weg. Ihr seid darauf angewiesen, dass ihr euch optimal mit Worten ausdrückt. Natürlich ist auch das schwieriger und es kommt häufiger zu Streit aufgrund von Missverständnissen. Wir alle hören ein Stück weit das, was wir hören wollen, und das ist erschreckend oft negativ.
Auch eure Erwartungen können zu Streit führen. Vielleicht möchtet ihr jeden Abend miteinander telefonieren, weil ihr euch vermisst. Wenn ihr dann telefoniert, werdet ihr euch aber manchmal nichts zu erzählen haben. Wenn man am selben Ort ist, merkt man das gar nicht. Man kann zusammen sein, ohne miteinander zu sprechen.
In einer Fernbeziehung kann dieselbe Situation dazu führen, dass ihr eure Beziehung hinterfragt, weil ihr überbewertet, dass ihr euch nichts zu sagen habt. Ihr habt die Erwartung, dass ihr euch jeden Abend unterhalten müsstet und seid dann enttäuscht, wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird.
4# Fernbeziehungen bringen belastende Umstände mit sich
Jedes Mal, wenn ihr euch sehen möchtet, müsst ihr packen und eine mehr oder weniger lange Anreise auf euch nehmen. Dieses ständige Verreisen ist ebenfalls eine Belastung, die andere Paare nicht haben. Es muss auch ausgehandelt werden, wer zu wem reist. Die Person, die verreist, muss dabei oft in ihrem eigenen Leben auf Pause drücken. Der Haushalt und eigene Projekte bleiben liegen, Familie und Freunde müssen warten. Das normale Leben geht erst dann weiter, wenn man wieder zurückkommt. Der gemeinsame Alltag fehlt.
Und all das passiert wieder und wieder. Ihr müsst euch ständig umgewöhnen. Es gibt ein Wiedersehen, dann müsst ihr euch wieder aneinander gewöhnen. Dann gibt es einen Abschied und ihr müsst euch wieder ans Alleinsein gewöhnen. Und täglich, wöchentlich, monatlich grüßt das Murmeltier.
5# Fernbeziehungen bedeuten eine Zusatzbelastung
Jede Beziehung ist herausfordernd. Es ist nicht einfach, sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen. Alleine sein ist natürlich auch nicht einfach, aber das ist ein anderes Thema.
Paare in Fernbeziehungen sind erst einmal auch ganz normal in einer Beziehung und erleben entsprechend genau dieselben Belastungen und Probleme, die andere Paare auch haben. Sie müssen sich kennenlernen, miteinander streiten lernen, sich gegenseitig vertrauen lernen, ein erfüllendes Sexleben aufbauen, alltägliche Herausforderungen meistern, ihre Zukunft planen. Durch die Ferne kommen aber noch weitere Belastungen hinzu, ohne dass etwas wegfällt.
Funktioniert eine Fernbeziehung?
Wie du siehst, sind Fernbeziehungen schwieriger als normale Beziehungen. Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Du kannst alle Anstrengungen als Invest betrachten, dass sich später massiv bezahlt machen kann. Eine Fernbeziehung jagt euch im Turbomodus durch die Beziehungsphasen und bringt euch im Endeffekt wesentlich schneller an einen Punkt, an dem ihr tiefes Vertrauen und echte Wertschätzung füreinander habt.
Deswegen sagen so viele Paare, die eine Fernbeziehung hinter sich haben, dass diese Zeit sie als Paar gestärkt hat. Die Fernbeziehung wird euch zusammenschweißen und ihr werdet später sehr stolz auf euch sein und vermutlich sogar mit Dankbarkeit auf diese Zeit zurückblicken.
Jetzt stellt sich nur die Frage, wie ihr dahin kommt. Glücklicherweise sind das recht einfache Schritte. “Einfach” im Sinne von “unkompliziert”, nicht im Sinne von “leicht umzusetzen”. Beim Abnehmen sind die Schritte dahin auch einfach: Sport und ein Kaloriendefizit durch gesunde Ernährung. Aber das bedeutet nicht, dass diese Schritte auch leicht umzusetzen sind.
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5 Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung
Den ersten und wichtigsten Tipp für eine erfolgreiche Fernbeziehung haben wir eigentlich gerade besprochen. Man sollte die richtigen Erwartungen haben. Eine Fernbeziehung ist nicht bloß eine normale Beziehung. Eine Fernbeziehung ist eine normale Beziehung mit Zusatzbelastungen. Dementsprechend gehen die Maßnahmen, die man treffen muss, um so eine Beziehung erfolgreich zu gestalten auch über die Maßnahmen hinaus, die man braucht, damit eine normale Beziehung gut läuft. Schauen wir uns nun diese Zusatzmaßnahmen an.
Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung: 1# Respektiere dein Warum
Es gibt einen ganz berühmten Ted-Talk von dem Unternehmensberater Simon Sinek, der sagt: “Frag immer erst: Warum?”. Wenn man diesen Talk auf seinen Kern reduziert, dann sagt Sinek, dass Menschen motiviert sind, wenn sie verstehen, wofür sie arbeiten. Er benutzt dieses Konzept zwar, um Mitarbeiter zu motivieren, aber du kannst es auch nutzen, um dich selbst zu motivieren, diese Fernbeziehung zu überstehen. Frag dich erst: Warum mache ich das eigentlich?
Du schreibst, dass er sich “für eine neue Stelle bewerben” musste, weil er “noch promovieren” möchte und du musst “noch 3 Jahre lang studieren”. Das sind in meinen Augen verdammt gute Gründe für eine Fernbeziehung. Die Distanz ist nur vorübergehend, aber dein Abschluss und sein Doktortitel werden bleiben und euer Leben nachhaltig verbessern.
Wenn du dir die Frage nach dem Warum stellst, sollten die Vorteile der vorübergehenden Distanz die Nachteile überwiegen. In deinem Fall ist das sehr einfach beantwortet. Langfristige Vorteile überwiegen kurzfristige Nachteile. Also: Respektiere deine Gründe und lass dich durch sie zum Durchhalten motivieren.
Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung: 2# Plane deine Fernbeziehung
Jede Beziehung braucht eine Perspektive, damit man weiß, wofür man all die Strapazen auf sich nimmt. Denn schwierig wird es immer und dann muss man wissen, wofür man das macht. Wie wir jetzt gelernt haben, ist das in Fernbeziehungen besonders wichtig, weil sie besonders schwierig sein können.
Damit eine Fernbeziehung funktionieren kann, braucht es deshalb einen kurzfristigen, einen mittelfristigen und einen langfristigen Plan.
Ein langfristiger Plan wäre, wann die Fernbeziehung enden soll und wie. Ohne ein Ende in Aussicht kommt ihr sonst an den Punkt, an dem es scheint, als müsstet ihr die negativen Konsequenzen einer Fernbeziehung für immer aushalten.
Eine Fernbeziehung kann erst einmal ohne langfristigen Plan starten. Wie lange das gut geht, hängt von euren beiden Persönlichkeiten ab. Manche Menschen leben sehr gerne im Hier und Jetzt und halten es lange aus, nicht zu wissen, wo die Reise hingeht. Aber früher oder später brauchen wir alle ein Ziel vor Augen.
Damit Menschen sich einander öffnen können und Intimität entstehen kann, braucht es Sicherheit und Nähe. Zwei Faktoren, die in Fernbeziehungen chronisch zu kurz kommen. Entsprechend müsst ihr einander so viel Sicherheit und Nähe geben, wie nur irgendwie möglich ist. Hier kommen kurz- und mittelfristige Pläne ins Spiel.
Mittelfristige Pläne sind geplante Treffen. Wenn ihr wisst, wann das nächste Treffen stattfinden wird, habt ihr nicht nur etwas, worauf ihr euch freuen könnt, sondern es gibt euch gleichzeitig auch Sicherheit. Solche Pläne kommunizieren dem Anderen: Du bist mir wichtig, deshalb nehme ich mir Zeit für dich. Und Sicherheit ist das beste Mittel gegen Beziehungszweifel.
Kurzfristige Pläne sind Ereignisse, die gemeinsam und auf Distanz funktionieren. Das sind Verabredungen zum Spazieren, während man miteinander telefoniert, oder gemeinsame Abendessen über Facetime. Nur weil ihr nicht am selben Ort seid, bedeutet das nicht, dass gemeinsame Aktivitäten nicht möglich sind. Smartphones machen es möglich, dass Nähe auch auf Distanz entstehen kann.
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Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung: 3# Kommunikation ist optional
Du schreibst, dass ihr euch “die letzten zwei Wochen ständig gestritten” hättet, weil er das Gefühl hätte, sich sehr an dich “anpassen” zu müssen, während du auch glauben würdest, “Vieles” für eure Beziehung zu tun. Ich weiß jetzt natürlich nicht, worum genau es bei euren vielen Streits gegangen ist, aber ein Faktor war vielleicht, dass ihr zu viel kommunizieren wolltet.
Ein Übermaß an Kommunikation wirkt in einer Fernbeziehung schnell einengend und dann kann das Gefühl entstehen, für den Partner zu viel aufgeben zu müssen. Regeln, dass man jeden Abend telefonieren muss, oder sich gegenseitig X Nachrichten am Tag schreibt, sind deshalb kontraproduktiv. Auch dann, wenn es ungeschriebene Gesetze sind.
In einer Fernbeziehung haben Paare manchmal das Gefühl kommunizieren zu müssen, weil die einzige Alternative gar kein Kontakt wäre und man vermisst sich ja sowieso schon. Stille wird oft als Zeichen interpretiert, dass etwas nicht stimmt und manchmal entstehen daraus Beziehungszweifel, weil man fürchtet, sich auseinanderzuleben. Meistens sind das bloß Ängste.
Förderlich für eine Fernbeziehung ist eher der Grundsatz: Wir kommunizieren so viel oder so wenig, wie wir möchten. Nimm den Druck raus und mache Kommunikation optional. Natürlich kannst du ihn an deinem Alltag teilhaben lassen, aber du musst es nicht. Wenn es Tage gibt, an denen ihr nicht dazukommt, miteinander zu schreiben oder zu sprechen, ist das nicht schlimm. Dann kommuniziert ihr eben zwei Tage nicht miteinander. Das wird euch nicht auseinander bringen. Früher haben Paare in Fernbeziehungen nur per Brief kommuniziert und sich dazwischen wochenlang nicht gesehen. Die haben es auch geschafft.
Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung: 4# Ein erfülltes Leben
Kommunikation kann in einer Fernbeziehung auch einschränkend sein, wenn Kommunikation mit dem Partner bedeutet, dass man dafür auf etwas anderes verzichten muss. Du schreibst, du hättest “ein relativ volles Leben, Vollzeitstudium, Arbeit (…) Leistungssport, Freunde”. Das klingt super. Aber er müsse “in der neuen Stadt erstmal seinen Alltag füllen”. Das klingt belastend. Jeder Mensch braucht einen sinnvollen und ausgefüllten Alltag und Freunde oder Familie um sich herum.
Kann es sein, dass er das Gefühl hatte, seinen Alltag nicht füllen zu können, weil er sich zu sehr um dich kümmern musste? Denn seine Situation ist auch so schon herausfordernd, wenn er dann auch noch das Gefühl hat, du stehst ihm dabei im Weg, erscheint die Beziehung schnell als “zu viel”. Dafür musst du im Übrigen nicht wirklich “zu viel” von ihm verlangen, er muss nur das Gefühl haben, es wäre so. Manche Männer machen sich selbst den Druck, lasten es aber trotzdem ihren Partnerinnen an.
Du hast geschrieben, dass ihr “nach 6 Monaten Beziehung zusammengezogen” seid und das hätte “wunderbar geklappt”. Er hätte dich “in allem immer unterstützt”, “ob einfach im Alltag oder bei den größeren Sachen”. Das ist natürlich schön, aber eigentlich ist das Zusammenziehen eine kritische Beziehungsphase, in der es oft zu Konflikten kommt.
Wenn es bei euch ganz anders war, könnte das darauf hindeuten, dass einer von euch jemand ist, den man klassischerweise als “zu nett” bezeichnen würde. Vielleicht trifft das auch auf euch beide zu. Damit meine ich, dass er oder du sehr harmoniebedürftige Menschen seid, die Konflikten aus dem Weg gehen, am liebsten von allen gemocht werden wollen, nicht Nein sagen und ihre eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen lassen.
Das ist alles erstmal überhaupt nicht schlimm, nicht falsch verstehen. Aber es kann dazu führen, dass Beziehungsprobleme zu lange unentdeckt bleiben und erst aufkochen, wenn es zu spät oder schon fast zu spät ist.
Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung: 5# Keine Angst vor Streit
Streit fühlt sich nicht gut an, aber das tut Joggen auch nicht, es ist trotzdem gesund. Streit ist eine der wichtigsten Säulen einer Partnerschaft. Er gehört absolut dazu. Ohne Streit würden zwei Menschen sich nie nahekommen und echte Intimität würde nicht entstehen.
In einer Fernbeziehung ist Streit sogar ganz besonders wichtig. Über die Distanz gehen viele Signale, die wir uns gegenseitig senden, verloren. Manche Signale können wir gar nicht senden. Wenn du einen besonders harten Tag hattest und jetzt jemanden brauchst, der für dich da ist, kann dein Partner in einer Fernbeziehung das nicht wissen. Er sieht nicht, welche Haltung du hast, wenn du nach Hause kommst. Er sieht deine roten Augen nicht, hört vielleicht nicht einmal deine Stimme. Du musst ihm sagen, wenn etwas los ist. In so einer Situation wirst du es wahrscheinlich nicht perfekt rüberbringen können.
Es ist beängstigend, sich verletzlich zu machen und zu sagen: Ich brauche deine Aufmerksamkeit. Deswegen senden die meisten Menschen subtile Signale. Wir streicheln den Arm des Anderen, seufzen, sprechen über etwas anderes, in der Hoffnung, dass der Partner von sich aus nachfragt. Subtile Signale werden oft übersehen, auf Distanz erst recht. Das ist menschlich, aber dann darf und sollte es zu Streit kommen.
John Gottman hat 40 Jahre lang Paarverhalten analysiert. Er nannte diese Signale, die wir senden, wenn wir uns Verbindung wünschen, “emotionale Angebote”. Im Laufe seiner Forschung hat er herausgefunden, dass Paare, die sich trennen oder unglücklich werden, 33% der emotionalen Angebote des Partners annehmen. Jedes dritte Angebot anzunehmen ist schon zu wenig! Glückliche Paare nehmen 86% der emotionalen Angebote des Anderen an.
Wie willst du 86% der Signale, die dein Partner sendet, annehmen, ohne zu lernen, was überhaupt seine Signale sind? Solche Signale sind subtil. Manchmal weiß er vielleicht selbst nicht, dass er eigentlich Verbindung wollte. Dann merkt er selbst erst, dass er ein Signal gesendet hatte, wenn er sauer wird, weil du nicht so reagiert hast, wie er es sich erhofft hatte. Deshalb ist Streit so wichtig. Durch Streit lernst du, wo du Signale übersehen hast, und kannst in Zukunft auf sie eingehen und andersrum dein Partner natürlich auch.
Lesetipp: John Gottman hat seine Forschung inzwischen in zahlreiche Bücher gepackt. Das Buch, in dem seine Forschungsergebnisse am besten in praktische Tipps übersetzt werden, ist meiner Meinung nach: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe (du kannst es hier bei Amazon bestellen*). Es ist bei weitem nicht nur lesenswert für verheiratete Paare. Ich würde es jedem empfehlen, der in einer Beziehung steckt und diese gerne (wieder) erfolgreich und glücklich gestalten würde.
Fernbeziehung retten: Paartherapie in der Fernbeziehung
Manche Paartherapeuten vertreten die Ansicht, dass Paartherapie in einer Fernbeziehung nicht in Frage käme. Das Paar müsse einen gemeinsamen Alltag teilen, damit eine Paartherapie möglich sei. Hintergrund dieses Denkens ist, dass Paaren in einer Fernbeziehung die Sicherheit fehlen würde, die es braucht, um sich zu öffnen und Spannungen zu riskieren.
Hinter dieser Regel steht also die Angst, dass das Paar bestimmte Dinge unterdrückt oder zurückhält, um Streit zu vermeiden und dass sie das auch im Rahmen einer Sitzung tun würden. Das würde in der Tat eine Paartherapie sabotieren. Diese Denkweise habe ich in meiner Ausbildung auch noch gelernt, habe sie aber noch nie geteilt. Inzwischen denken auch sehr viele andere Paartherapeuten nicht mehr so.
Erstens gibt es Möglichkeiten, Paaren im Rahmen einer Sitzung die nötige Sicherheit zu geben, die sie brauchen, damit sie sich öffnen können. Zweitens ist es de facto so, dass fast alle Paare, die gerade in einer Beziehungskrise stecken, Angst haben sich zu öffnen und deshalb bei bestimmten Themen vorsichtig und skeptisch an die Sache herangehen. Paare in einer Fernbeziehung unterscheiden sich also nicht großartig von Paaren, die zusammen oder nah beieinander wohnen.
Eine Einschränkung haben Paare in einer Fernbeziehung in der Paartherapie wirklich und das ist der fehlende Körperkontakt. Es gibt kleine “Durchbruch-Momente” in der Paartherapie, so nenne ich sie zumindest. Das sind versöhnende Momente im Rahmen einer Sitzung, die die beiden Partner miteinander teilen. In solchen Situationen empfinden es Paare als heilend, wenn sie sich in die Augen sehen und in den Arm nehmen oder küssen können. Es gibt auch andere Momente, in denen Körperkontakt hilfreich wäre.
Das sind aber alles keine Ausschlusskriterien. Man muss sich nur dessen bewusst sein, dass es diese Einschränkung gibt und entscheiden, ob man damit leben kann oder nicht. Wenn man eine Fernbeziehung retten möchte und die einzigen Optionen sind “Paartherapie” oder “keine Paartherapie”, würde ich empfehlen, die Einschränkung in Kauf zu nehmen und mich trotzdem für eine Paartherapie entscheiden. Jede Hilfe ist besser als keine Hilfe.
Du schreibst: “Allerdings sind wir durch diese Streitigkeiten in einem Teufelskreis gelandet, sodass wir nur noch Vorwürfe füreinander haben.” Das ist ein typisches Anzeichen dafür, dass eine Paartherapie sinnvoll wäre. Wenn man nicht interveniert und diesen Teufelskreis unterbricht, funktioniert er wie eine Abwärtsspirale, die euch immer tiefer nach unten führt.
Du sprichst etwas an und sagst es vorwurfsvoll, bist dir dessen aber nicht bewusst. Er reagiert, indem er das Gesagte entwertet (so wäre das ja gar nicht). Du protestierst. Er reagiert defensiv. Du wirst wütend. Er zieht sich zurück und ihr sprecht tagelang nicht mehr miteinander. Das ist nur ein Beispiel für einen möglichen Teufelskreis. In der Paartherapie schauen wir uns an, wie genau eure Abwärtsspirale aussieht und finden gemeinsam einen Weg, wie ihr da wieder rauskommt.
Falls ihr euch eine Paartherapie wünscht, die komplett online stattfindet und an der ihr separat teilnehmen könnt, seid ihr bei mir richtig. Du kannst mich gleich hier kontaktieren und einen Termin zum Erstgespräch vereinbaren, oder schreib mir eine Email an hallo@fraginga.de.
Wann sollte man eine Fernbeziehung beenden?
Eine Fernbeziehung ist schwieriger als eine normale Beziehung. Dementsprechend darfst du etwas nachsichtiger mit euch und euren Beziehungsproblemen sein. Darüber hinaus gibt es allerdings auch bei der Trennungsfrage keinen Unterschied zwischen Paaren, die zusammen wohnen, und Paaren in einer Fernbeziehung.
Ich halte nichts von Listen à la “10 Anzeichen, dass es Zeit ist, sich zu trennen”. In einer Beziehung ist alles Verhandlungssache. Was für dich und deinen Partner funktioniert, ist für andere vielleicht ein No Go. Am Ende musst du wissen, was dich glücklich macht und du musst wissen, was normal ist, damit du deine Erwartungen anpassen kannst. Denn glaub mir: Was normal ist, können deine Freundinnen dir nicht sagen. Die wenigsten Menschen haben einen realistischen Blick dafür, wie Beziehungen wirklich ablaufen.
Weil das Thema “Trennen oder bleiben?” ein sehr komplexes und individuelles Thema ist, das ich nicht in einem Artikel beantworten kann, habe ich einen Onlinekurs daraus gemacht.
In meinem Onlinekurs “Trennen oder bleiben? Deine Entscheidungshilfe” erkläre ich in einer Reihe Videolektionen, was zu erwarten ist in einer Beziehung (also Probleme, die in jeder Beziehung auftauchen) und was nicht. Ich zeige dir, wie du herausfindest, ob es an dir oder an ihm liegt und wie du erkennst, ob für euch beide noch eine Chance sinnvoll wäre.
Im letzten Modul führe ich dich außerdem durch Übungen, die wirklich Gold wert sind. Es wird emotional werden, aber du wirst Dinge über dich lernen, die du vorher nicht wusstest. Diese Übungen sind das, was dir absolute Gewissheit bringen wird. Am Ende des Kurses, der für 7 Tage konzipiert ist, wirst du Klarheit über deine Situation haben und einen genauen Fahrplan, der dir sagt, wie es jetzt weitergeht.
Du möchtest noch ein bisschen mehr zu dem Thema erfahren? Dann lies auch: Wann weiß man, dass die Beziehung keinen Sinn mehr hat?